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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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immer. Diese Typen hatten noch nie einen Verlierer unterstützt. Sie waren das Rückgrat von Aspen: Ladenbesitzer, Cowboys, Feuerwehrleute, Polizisten, Bauarbeiter … und ihr Anführer war der beliebteste Bürgermeister in der Geschichte des Ortes, der zweimal hintereinander die Wahl gewonnen hatte und nun den von ihm persönlich ausgesuchten Nachfolgekandidaten unterstützte – einen mittelmäßigen jungen Anwalt. Ich bedachte die Elks mit einem strahlenden Lächeln und machte das Victory-Zeichen. Niemand lächelte zurück … aber es war nicht genau festzustellen, ob sie sich darüber im Klaren waren, dass ihr Kandidat baden gegangen war – und zwar schon vor einer ganzen Weile, als nämlich die lokale Baugewerbeinnung und die mit ihr verbundenen Grundstücksspekulanten sich zähneknirschend von Oates abgesetzt hatten, der ihre erste Wahl gewesen wäre, und ihr gesamtes Gewicht und ihren Einfluss in die Waagschale warfen, um den »Hippie-Kandidaten« Joe Edwards zu verhindern. Und so waren am Wochenende vor der Wahl von drei Mitbewerbern de facto nur noch zwei im Rennen … und seit Montag dieser Woche lautete die einzige Frage, wie viele fiese, rechtslastige Dumpfbacken sich mobilisieren ließen, gegen Joe Edwards zu stimmen.
    Unser Programm bestand im Grunde darin, das gesamte Grund stücksspekulantenpack aus dem Tal zu vertreiben: das Verkehrsministerium von Colorado daran zu hindern, einen vierspurigen Highway bis in die Stadt zu bauen, und nicht nur das, sondern darüber hinaus sämtliche Straßen der Innenstadt für den Autoverkehr komplett zu sperren . Stattdessen sollten sie in Rasenflächen umgewandelt werden, wo alle, sogar Freaks, tun und lassen konnten, was ihnen gefiel. Polizisten sollten Abfall einsammeln oder sich um die Flotte städtischer Fahrräder kümmern, die jedermann kostenlos zur Verfügung stehen sollten. Keine riesigen Apartmentgebäude mehr, die die Gegend verschandelten und einem in der Innenstadt den Blick auf die Berge verstellten. Schluss mit der Vergewaltigung der Natur, keine Verhaftungen mehr wegen »Flötenspielen« oder »Blockieren der Gehwege« … Scheiß auf die Touristen, lasst den Highway in einer Sackgasse enden, ändert die Bebauungspläne so, dass den Gierhälsen die Luft ausgeht und sorgt ganz allgemein dafür, dass dies eine Stadt wird, in der die Leute leben können wie menschliche Wesen und nicht wie Sklaven einer dämlichen Vorstellung von Fortschritt, die uns alle in den Wahnsinn treibt.
    Nach einem heftigen, auslaugenden Wahlkampf fehlten uns bei einer Gesamtwahlbeteiligung von 1200 gerade mal sechs (6) Stim men zum Sieg. Genau genommen war es sogar nur eine Stimme, die uns fehlte, da die Wahlzettel von fünf unserer Wähler, die per Briefwahl teilnahmen, nicht rechtzeitig eintrafen – was in erster Linie daran lag, dass die Wahlunterlagen an Adressen in Nepal, Mexiko und Guatemala erst fünf Tage vor der Wahl abgeschickt worden waren.
    Es wäre uns um ein Haar gelungen, in Aspen die Macht an uns zu reißen, und das war der entscheidende Unterschied zwischen unserer Aktion und beispielsweise Norman Mailers Kampagne in New York – die schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Zum Zeitpunkt von Edwards’ Kampagne war uns kein Präzedenzfall bekannt … und selbst jetzt fällt einem allenfalls Bob Scheers Kandidatur für den US-Kongress in Berkeley/Oakland ein, der damals den Liberalen Jeffrey Cohelan herausforderte und mit gerade mal zwei Prozent Rückstand verlor. Davon abgesehen waren die meisten anderen radikalen Versuche, über Wahlen Politik zu machen, putzige, zum Scheitern verurteilte Episoden nach dem Strickmuster der Mailer-Breslin Aktion.
    Dieser grundlegende Unterschied machte sich 1970 bereits bemerkbar, plötzlich wurden an verschiedenen Orten Versuche unternommen, Sheriffposten zu besetzen. Stew Albert kandidierte in Berkeley auf einer Neo-Hippie-Plattform und konnte 65000 Stimmen für sich verbuchen, doch sein Sieg war vorhersehbar. Eine weitere rühmliche Ausnahme war David Pierce, ein dreißig Jahre alter Anwalt, der es 1964 schaffte, sich in Richmond, Kalifornien, zum Bürgermeister wählen zu lassen (Einwohnerzahl über 100000). Pierce war es gelungen, einen großen Stimmenblock aus den schwarzen Gettos zu mobilisieren – in erster Linie aufgrund seines Lebensstils und seines Versprechens, »Standard Oil in die Knie zu zwingen«. Er blieb drei Jahre im Amt, bis er 1967 plötzlich alles hinter sich ließ, um in ein Kloster nach Nepal

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