Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
schwachsinnigen Obszönität antreten, die sich »Vereinigte Front« oder »Progressive Solidarität« nannte – unterstützt von Leon Uris, dem größten Pornofilmsammler von Aspen, der ansonsten mit Büchern wie Exodus seine Brötchen verdiente. Ich saß in Peggy Cliffords Wohnzimmer, als ich davon hörte, und soweit ich mich erinnere, waren wir beide einer Meinung, dass die Arschgeigen dieses Mal zu weit gegangen waren.
Jemand schlug Ross Griffin vor, einen ausgeflippten Ex-Ski fahrer und lebenslangen Beatnik der Berge, der sich zwischenzeit lich ein bisschen angepasst hatte und für den Stadtrat kandidierte … aber ein Dutzend Testanrufe überzeugten uns schließlich, dass Ross als Typ nicht schräg genug war, um die Stimmen von der Straße hinter sich zu bringen, was wir für unbedingt notwendig hielten. (Wie sich herausstellte, lagen wir damit falsch: Griffin kandidierte für den Stadtrat und gewann seinen von Heads dominierten Wahlbezirk mit riesigem Vorsprung.)
Zum damaligen Zeitpunkt erschien es uns notwendig, mit einem Kandidaten aufzuwarten, dessen merkwürdige Vorlieben und paralegales Verhalten völlig außer Frage standen … einem Mann, dessen Kandidatur die politische Galle überkochen lassen würde, dessen Namen die Wohlstandsbürger in Angst und Schrecken versetzen würde und der so offenkundig ungeeignet für den Job war, dass selbst der unpolitischste Drogenhirni aus der verkommensten Kommune der Stadt ausrief: »Wow! Den Mann muss ich wählen !«
Hundertprozentig erfüllte Joe Edwards diese Bedingungen nicht. Er war ein bisschen zu straight für die Acid-Fraktion und ein bisschen zu abgedriftet für die Liberalen – aber er war der einzige Kandidat, der zumindest ansatzweise akzeptabel war für beide Seiten unserer noch unerprobten Koalition. Und vierundzwanzig Stunden nach unserem ersten wirren Telefonat über seine »Kandidatur« sagte er: »Scheiß drauf. Warum nicht?«
Der nächste Tag war ein Sonntag, und im Wheeler Opera House lief The Battle of Algiers (Schlacht um Algier) . Wir hatten uns für nach der Vorstellung auf der Straße verabredet, doch unser Treffen gestaltete sich schwierig, weil ich nicht wusste, wie er aussah. Und so standen wir erst einmal eine ganze Weile nur herum und musterten einander aus den Augenwinkeln, und ich weiß noch, dass ich dachte: »Herrgott, sollte es etwa der da drüben sein? Der ausgemergelte Streber mit den unruhigen Augen? Scheiße, der Typ gewinnt keinen Blumentopf …«
Schließlich, nachdem wir uns zögerlich miteinander bekannt gemacht hatten, gingen wir in das gute alte Jerome Hotel und bestellten uns ein paar Biere, die wir in die Lobby kommen ließen, um uns ungestört zu unterhalten. Unsere Wahlkampfmaschine bestand an diesem Abend aus mir, Jim Salter und Mike Solheim – doch wir alle versicherten Edwards, dass wir nur die Spitze des Eisbergs waren, auf dem er geradewegs ins Fahrwasser der großen Machtpolitik treiben würde. Dabei hatte ich allerdings den Eindruck, dass Solheim und Salter die ganze Situation – einem völlig Fremden zu erklären, dass er nur ein Wort zu sagen brauchte, und wir würden ihn zum Bürgermeister von Aspen machen – ein bisschen peinlich war.
Keiner von uns hatte auch nur rudimentäre Kenntnisse davon, wie man eine Wahlkampagne aufzieht. Salter schreibt Drehbücher (Downhill Racer) und Bücher (A Sport and a Pasttime) . Solheim hatte früher in Ketchum, Idaho, eine schicke Bar namens Leadville und verdiente sich seine Brötchen in Aspen mit Häuseranstreichen. Was mich angeht, so wohnte ich seit zwei Jahren etwa zehn Meilen außerhalb der Stadt und versuchte so gut es ging, der fiebrigen Realität von Aspen fernzubleiben. Mein Lebensstil, das spürte ich, war nicht wirklich geeignet, um mich mit kleinstädtischem Polit-Establishment herumzuschlagen. Sie hatten mich in Ruhe gelassen, meine Freunde nicht belästigt (mit zwei Ausnahmen – beides Anwälte) und beharrlich jegliche Gerüchte über wildes Treiben in meiner Gegend ignoriert. Im Gegenzug habe ich bewusst unterlassen, über Aspen zu schreiben … und bei meinen sehr raren Kontakten mit den örtlichen Behörden wurde ich behandelt wie eine halb verrückte Kreuzung aus einem Einsiedler und einem sibirischen Steppenwolf, die man am besten in Ruhe lässt, solange es geht.
Insofern war die Kampagne von 1969 für mich ein größerer Schritt als für Joe Edwards. Er hatte schon politische Auseinandersetzungen erlebt und anscheinend Gefallen daran
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