Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Naked Lunch zu bringen.
Diese Vergleiche sind vielleicht ein wenig hoch gegriffen, aber ich nehme an, du weißt, worauf ich hinauswill. Der Kern des Problems liegt möglicherweise darin, dass ich anscheinend eine grundsätzliche Aversion gegen jegliche Versuche hege, mir zu erzählen, wie ich meinen Gonzo-Journalismus zu schreiben habe. Mir ist klar, dass diese Haltung ruppig und irrational ist, aber dazu neige ich nun mal von Zeit zu Zeit.
Diesen wirren Wortschwall als Journalismus zu begreifen ist genauso abwegig, wie Steadmans Kunst als »Illustration« zu bezeichnen. Charlie [Perry, Redakteur beim RS ] beklagte bei einer Gelegenheit die Tatsache – und ich stimmte ihm zu –, dass eine von Ralphs Zeichnungen noch besser gepasst hätte, wenn darauf ein Schwarm Fledermäuse zu sehen gewesen wäre. War aber nicht der Fall – also schlug ich vor, dass ich ja noch welche reinmalen könnte, mit einem Tintenfüller. Charlie war entsetzt. Womit er haargenau richtig reagierte. Ich würde nie Hand anlegen an eine von Ralphs Zeichnungen – und aus dem gleichen Grund, kann ich keine große Begeisterung dafür entwickeln, »Angst und Schrecken« zu behandeln wie eine reguläre Reportage. Sicher sind darin Lücken und abrupte Wendungen, die man füllen und begradigen sollte , aber aus irgendeinem Grund fehlt mir der Elan für solche Aktionen. Vielleicht denke ich nach 12 bis 20 Stunden Schlaf anders darüber, aber verlassen würde ich mich darauf nicht. Wir sollten immer daran denken, dass es nie als journalistische Auftragsarbeit gedacht war; es war ein seltsamer, neofiktionaler Ausbruch, der für so abgefuckt und unter aller Sau erachtet wurde, dass weder RS noch Sports Illustrated mir meine Auslagen erstatten wollten. Daher bin ich derzeit nicht in der Stimmung, so zu tun, als sei ich dankbar für redaktionelle Anregungen jedweder Art. (Es besteht kein Zweifel, dass ich mich hier im Irrtum befinde und starrsinnig aufführe, aber so wie sich diese Sache entwickelt hat, kommen mittlerweile persönliche Gefühle ins Spiel, mir ist das Ding ans Herz gewachsen und ich agiere irrational – aber just zu diesem Zeitpunkt bin ich nicht besonders scharf auf kluge Ratschläge, wie mit der Sache zu verfahren ist. Es war von Anfang an eine Instinkt gesteuerte Angelegenheit und so, wie ich es sehe, wird es das auch bleiben. Egal was man davon halten mag.
Jedenfalls habe ich mich so abgerackert, dass ich kaum noch weiß, wo mir der Kopf steht, und ich vor Müdigkeit nicht mehr schlafen kann – und als ich heute ins Büro kam, war Hank [Torgrimson, RS -Buchhalter] drauf und dran mich verhaften zu lassen, weil ich diese Schreibmaschine geklaut hätte. Anscheinend steht der große Zusammenbruch kurz bevor – nach einer langen Phase Guter Arbeit. Also denke ich, dass es Zeit ist, erst mal nach Hause zu fahren. Ich rufe dich am Montag oder Dienstag an und erkundige mich nach der Lage der Dinge. Meine grundsätzliche Einstellung ist dennoch die, dass du bei Weitem wichtigere Dinge zu tun hast als an der Chronologie von Vegas/Angst & Schrecken zu feilen. Ich habe das Gefühl, dass es, so wie es jetzt ist, eine ziemlich gelungene schriftstellerische Arbeit ist, und ich habe eine gewisse Zuneigung dafür entwickelt …
Ich mag das Scheißding. Also warum kümmern wir uns nicht um wichtigere Dinge? (Ich habe nichts dagegen, Sachen zu streichen oder zu ändern, aber erwarte keine Begeisterung meinerseits für den Vorschlag, nachträglich ellenlange Passagen einzubauen, auf die ich schon beim ersten Durchgang keine große Lust hatte.)
Lassen wir’s erst mal dabei. Meine Laune ist extrem beschissen, ich versuche, bis zu meinem Abflug krampfhaft wach zu bleiben – mittlerweile sehe ich alles doppelt und habe das Gefühl, als würden Käfer hinter meinen Kniescheiben herumkrabbeln usw.
Unter den gegebenen Umständen habe ich gewisse moralische Skrupel, dir sämtliche Unkosten für meinen Abstecher nach SF in Rechnung zu stellen – vielleicht beschlagnahme ich einfach nur deinen McIntosh-Verstärker & überlege mir, ob dadurch alles abgedeckt ist –, wenn nicht, schicke ich dir eine Rechnung & einen Scheck für den Verstärker. Bevor du den einreichst, ruf mich aber erst noch mal an, damit ich sichergehen kann, dass er auch gedeckt ist. Der letzte Monat hat ziemlich an meiner Substanz genagt.
Ich habe jedenfalls das Ende der Fahnenstange erreicht – kann sein, dass ich ein bisschen daneben bin. Aber wie’s aussieht, ist der ganze
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