Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
Vom Netzwerk:
Der mittlerweile berühmte Mojo Wire stand gleich neben der Tür zu meinem Büro, und diese Höllenmaschine brach Nacht für Nacht in infernalisches Gepiepe aus, wann immer die Hektik angesichts des Termindrucks am größten war, und signalisierte uns so Hunters Anwesenheit am anderen Ende der Leitung, während Jann oder Felton danebenstanden und nervös darauf warteten, dass der Apparat seine Manuskripte ausspuckte. Es war fast so, als wäre Hunter in unserer Mitte. Und rückblickend betrachtet waren es diese Artikel, durch die der Rolling Stone ein ernsthaftes politisches Profil gewann und Hunter zu einer Berühmtheit wurde (im Guten wie im Schlechten). Außerdem entstand daraus ein hervorragendes Buch. Eine journalistische Meisterleistung, hervorgebracht unter einem immensen Druck, und niemand außer Hunter wäre dazu in der Lage gewesen.
    Ein paar Monate nach der Wahl saßen wir im Jerry’s. Hunter sah aus wie durch den Wolf gedreht, und seine Stimmung war mies. Aus Gründen, die mir bis heute unbekannt sind, fasste ich den Entschluss, ihm einige gute Ratschläge zu erteilen: Schick dein Alter Ego Raoul Duke in den Ruhestand, sagte ich, oder zumindest für eine gewisse Zeit in Urlaub. Werd wieder der Journalist, der Hell’s Angels geschrieben hat. Mach ein bisschen halblang mit Schnaps und Drogen. Er drehte sich zu mir um und griff in eine Tasche seiner Safarijacke. Er schaute mich an. Es war kein fieser Blick, sondern einfach nur ein Starren. Dann zog er einen Löschpapierstreifen Mr. Natural Acid aus seiner Tasche, schaute mir in die Augen, steckte ihn in den Mund und schluckte ihn hinunter. Ich hatte verstanden. Wir unterhielten uns weiter, als wäre nichts passiert.
    Meine letzte Zusammenarbeit mit ihm war 1975, als er kurz vor dem Abzug der Amerikaner aus Saigon seine »verbotenen Meldungen von der Front« schickte. Danach hatten wir kaum noch Kontakt miteinander, außer wenn wir uns in New York zufällig über den Weg liefen. Unsere letzte Unterhaltung fand 1996 statt – anlässlich der Feier des 25-jährigen Jubiläums der Erstausgabe von Angst und Schrecken in Las Vegas , das bei dieser Gelegenheit eine Neuausgabe in der Reihe Modern Library erfuhr und dadurch endgültige literarische Weihen erhielt, worauf er zu Recht stolz war. Es war ein ganz ausgezeichneter Abend. Unter den Gästen waren etliche Rolling-Stone -Mitarbeiter der ersten Stunde und auch Johnny Depp, mit dem Hunter eine wunderbare Freundschaft verband und der 1998 in der Filmfassung von Vegas die Rolle des Raoul Duke, Doktor des Journalismus, spielen sollte.
    Eines meiner Lieblingserlebnisse mit Hunter – und es ist sogar auf Video festgehalten – ereignete sich im Frühjahr 1973. Er hatte sich im Seal Rock Inn am westlichen Rand von San Francisco verschanzt, um »Angst und Schrecken im Wahlkampf« den letzten Schliff zu geben, und wurde von einem Fernsehteam, das an einer Dokumentation über den Rolling Stone arbeitete, beim Auschecken abgepasst. Er erklärte sich zu einem kurzen Interview bereit und verpasste ihnen einen klassischen sinn- und verstandfreien Hunter-S.-Thompson-Sermon von ein paar Minuten Länge.
    Als er jedoch in der Redaktion ankam, um sich von allen zu verabschieden, tauchte das Fernsehteam erneut auf und bombardierte ihn mit dämlichen Fragen. Hunter und ich gaben uns große Mühe, sie zu ignorieren, indem wir uns in seine Fanpost vertieften, die ebenfalls starker Tobak war, bis Hunter schließlich aufgab, den Flur entlang auf den Ausgang zustrebte und mir über die Schulter hinweg zurief: »ICH MUSS MICH DRINGEND MIT JEMAND AUF DER ANDEREN STRASSENSEITE TREFFEN!« Auf der anderen Straßenseite war das Jerry’s, und der besagte Jemand war ich.
    Hunter war ein Schreiber der Extraklasse, und es ist unter anderem seinem Talent zu verdanken, dass der Rolling Stone in den Anfangstagen über manche Klippe hinwegkam. Er war ein ganz hervorragender Trinkkumpan, ein Handelsvertreter mit höllischen Qualitäten und, ja, er war ein bisschen verrückt. Verrückt wie ein Fuchs.
    Es ist vierzig Jahre her, seit sich Hunter S. Thompson der Wahlkampfkarawane anschloss, und fast sieben Jahre seit seinem Tod. Dennoch schafft er es bis zum heutigen Tag, dass sich viele von uns mit ihm beschäftigen. Als ich mit den Arbeiten an diesem Buch begann und den Umfang seiner Arbeiten für den Rolling Stone in Augenschein nahm, kam ich auf über 450000 Wörter. Nach etlichen Kürzungen und redaktionellen Eingriffen blieben immer noch 210000

Weitere Kostenlose Bücher