Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
er das Tuch von seinem Kopf.
Meryem sah die vier langen Kratzspuren auf seiner Wange und stieß einen hellen Schrei aus. »Was ist geschehen?« fragte sie und hob zögernd die Hand, um die Wunden leicht zu berühren. »Du bist verletzt!«
»Es ist nichts!« sagte Khardan rauh und wich ihr aus, indem er den Nacken beugte, damit sie das seidene Band über sein schwarzes Lockenhaar streifen konnte. »Nur eine kleine Auseinandersetzung mit einer Wildkatze.«
Meryem, die glaubte, diese Sorte Wildkatze genau zu kennen, lächelte zufrieden in sich hinein. Sie hielt es für weise, kein weiteres Wort darüber zu verlieren, und legte ihm das Band um den Nacken, während sie mit den Fingern leicht durch sein dichtes Haar fuhr. Sie spürte, wie sein Körper unter ihrer Berührung erbebte, und trat schnell zurück, wobei ihr beunruhigter Blick einmal mehr zum aufziehenden Sturm hinüberschweifte.
Das blökende Widderhorn rief Khardan in die Wirklichkeit zurück.
»Auf Wiedersehen, mein Gazellenauge«, flüsterte er, und in seinem Gesicht spiegelte sich Leidenschaft und Erregung. »Weine nicht um mich! Ich bin gut geschützt!« Dabei schloß er die Hand um den silbernen Schild.
»Ich weiß!« sagte Meryem mit einem tapferen, unergründlichen Lächeln, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
24
Wie eine Wolke schwebte der Ifrit über der Ebene. Hoch dort oben saß der Emir gelassen auf seinem magischen Ebenholzroß und beobachtete von seinem hervorragenden Ausblick aus, wie Scheich Zeids Kamelreiter, die schneller als der Wind zu reiten schienen, über die Dünen jagten. Vom Rücken des Ifrits aus verfolgte er auch genau das Treiben im Lager am Tel unter sich: Die Männer sprangen auf ihre Pferde, während sich Frauen und Kinder außerhalb der Zelte versammelten und ihnen mit ausgestreckten Armen nachwinkten. Ihre schrillen Stimmen erhoben sich dabei zu einem furchteinflößenden Kriegsgeschrei, das die Herzen der Männer stärken sollte.
Der Emir hatte in den Wolken eine gewaltige Armee um sich geschart, und jeder Soldat saß, wie der Emir selbst, auf einem magischen Streitroß. Da sich Kannadis Männer jedoch noch nicht an die Höhe gewöhnt hatten, zumal es ihnen gänzlich unvertraut war, auf dem Rücken eines Ifrits durch die Lüfte zu reisen, blickten die meisten beunruhigt zur Erde hinab. Nicht wenige hatten blasse, verschwitzte Gesichter, und einige hatten sich sogar – immerwährender Schande gewiß – über den Sattel gebeugt und sich still ihrer Übelkeit überlassen. Dennoch waren es gestählte, gut disziplinierte Truppen. Sie gaben keinen Ton von sich. Die Augen auf ihre Anführer gerichtet, die sich gerade mit dem Emir besprachen, warteten die Männer gespannt auf das Signal, das sie von der schwarzen, blitzdurchzuckten Wolke in den Wüstensand schicken sollte, wo sie endlich das tun konnten, worauf sie sich am besten verstanden, nämlich zu kämpfen und zu siegen.
»Ihr habt eure Befehle. Ihr wißt, was zu tun ist«, stellte der Emir knapp fest. »Der Imam erinnert euch daran, daß ihr kämpft, um das Licht Quars in die Dunkelheit der Seelen dieser Kafirn zu bringen. Wir werden nur solange gegen diese Männer kämpfen, bis wir ihnen die Macht und die Stärke unserer Armee bewiesen haben. Ich will sie zerstreuen, will sie entmutigen, aber nicht töten!«
Die Anführer salutierten und zeigten, daß sie verstanden hatten, ließen es jedoch deutlich an Begeisterung fehlen.
»Zerstört ihr Lager, so wie ihr es heute schon bei den Schafhirten getan habt. Aber laßt die Alten und Gebrechlichen unversehrt zurück. Wir wollen sie nicht, weil sie von keinerlei Nutzen für uns sind. Frauen in gebärfähigem Alter und Kinder sind gefangenzunehmen und in die Stadt zu bringen. Sie sollen nicht behelligt werden. Jeder Mann, der eine Frau schändet, wird sich bald unter den Palast-Eunuchen wiederfinden.«
Die Anführer nickten bestätigend. Der Emir war unerbittlich, wenn seine Anordnungen nicht befolgt wurden. Einige Eunuchen hatten diese bittere Erfahrung bereits hinter sich. An Ort und Stelle, mit eigener Hand und eigenem Säbel, hatte der Emir die Kastrationen ausgeführt. Das tat er nicht etwa aus Mitleid mit den Frauen. Als guter General, der von Jugend an mit dem Kriegshandwerk vertraut war, wußte er einfach, wie schnell sich eine gehorsame Truppe in eine unkontrollierbare Meute verwandeln konnte, wenn man die Zügel schleifen ließ.
Der Emir ließ seinen harten Blick über die Krieger
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