Die Rose des Propheten 5 - Das Buch der Nomaden
verängstigt gesehen. »Es ist ibn Jad! Was hat er dir angetan?« Der Zorn klopfte in seinem Herzen mit einer Gewalt, die ihn selbst erschreckte. »Beim Promenthas! Wenn er dir ein Leid zugefügt haben sollte, werde ich…«
Was wirst du dann? Ibn Jad angreifen? Ebensogut könnte sich das Lamm erbieten, den Löwen zu bekämpfen!
Es schien, daß Zohra das gleiche dachte, denn Mathew sah, daß ihre Mundwinkel zuckten. Dann kam ihr ein Gedanke, und sie blickte ihn ernst an, ohne jedes Lachen in den Augen.
»Mat-hew! Vielleicht kannst du mir helfen! Es ist doch möglich, einen Zauberbann zu brechen, unter dem man steht, nicht wahr?«
»Manchmal«, erwiderte Mathew vorsichtig. »Das hängt davon ab…«
»Wovon?«
»Von vielen Dingen. Was für eine Art von Zauber es ist, wie er verhängt wurde, was bei der Verhängung verwendet wurde. Das ist schwieriger, als du dir vielleicht vorstellst.« Mathews Sorge wuchs, als er erriet, worauf ihre Worte abzielten. »Aber wie sollte ibn Jad einen Zauber verhängen, Zohra? Er ist doch kein Magus.« Die Erinnerung an die Schwarze Zauberin kehrte zu ihm zurück. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit. »Hatte er einen Talisman, einen Stab – irgendeinen magischen Gegenstand, den ihm jemand hätte geben können?«
»Es war nicht Suls Magie«, erwiderte Zohra kopfschüttelnd. »Es war sein Gott.«
»Sprich weiter.« Mathew wußte nicht, ob er erleichtert oder noch beunruhigter sein sollte. »Erzähl mir alles.«
»Das kann ich nicht«, antwortete Zohra. »Es… es ist nicht schicklich für Frauen, derlei Dinge mit Männern zu besprechen, die… nicht ihre Ehemänner sind.«
»Aber ich bin doch eine Nebenfrau«, sagte Mathew mit schiefmäuligem Lächeln. »Und ich muß alles wissen, Zohra, wenn ich dir helfen soll.«
»Wahrscheinlich… hast du recht«, räumte Zohra ein. Zögernd, ohne ihn anzusehen, berichtete Zohra ihm von ihrer Begegnung mit ibn Jad.
»Er hat gesagt, daß er zu seinem bösen Geist beten würde, Mat-hew! Damit der Gott mich ihm gibt!« Zohra sah furchtsam zu ihm auf; sie zitterte am ganzen Leib. »Und… Mat-hew… als ich an diesem… diesem Ort war. Die Frau hat mir etwas zu trinken gegeben, das mich träumen machte…« Sie konnte nicht mehr weiterreden; ein tiefes Rosenrot färbte ihre Wangen, und sie vergrub das Gesicht in den Händen.
»Natürlich«, murmelte Mathew. Irgendeine Art Liebestrank – nein, Lusttrank wäre wohl der bessere Ausdruck. Das erklärte auch, weshalb die weiblichen Gefangenen so entgegenkommend waren. »Hast du von ihm geträumt? Von Auda?« fragte der junge Mann zögernd. Zohras Verlegenheit war ansteckend. Das Blut brannte ihm unter der Haut.
»Nein, von anderen«, murmelte Zohra.
Khardan? Mathew sehnte sich danach, diese Frage zu stellen, tat es aber nicht. Eifersucht flackerte in ihm auf. War er eifersüchtig auf Zohra, weil sie von Khardan träumte, oder eifersüchtig auf Khardan, weil er in Zohras Träumen auftrat? Aber ob er sich selbst nun verstand oder nicht, wenigstens begriff er, was ibn Jad tat – oder zu tun versuchte. Sehr raffiniert, dachte Mathew. Die Träume dazu zu benutzen, sich in den Geist dieser Frau einzuschleichen, ihren Glauben an die Götter und ihre Macht zu benutzen, um die natürlichen Widerstände zu schwächen, die sie gegen ihn aufgebaut hatte.
»Zohra«, sagte Mathew und schüttelte sie sanft, »die Hälfte der Zeit gehorchst du nicht einmal den Geboten deines eigenen Gottes. Wirst du dich da etwa einem fremden Gott beugen?«
Zohras Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie über diesen Einwand nachdachte. Nachdem sie ihn verstanden und die Ironie begriffen hatte, lächelte sie sogar. »Nein, das werde ich nicht!« Sie streckte die Hand aus und streifte Mathews Wange sanft mit den Fingern. »Du bist sehr klug, Mat-hew.«
Das hatte Khardan auch gesagt. Aber in Wirklichkeit war das keine Klugheit oder Weisheit. Es war lediglich die Fähigkeit, ein Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. So als würde man alle Facetten des glitzernden Juwels schauen, anstatt sich nur auf eine einzige zu konzentrieren…
»Weshalb siehst du mich so an?« wollte Zohra wissen.
»Weil Khardan recht hatte«, antwortete Mathew scheu. »Du bist sehr schön.«
Die Rosen erblühten auf ihren Wangen; das Feuer, von dem Khardan gesprochen hatte, flackerte in ihren Augen.
Wie diese beiden sich liebten! Verborgen hinter Mauern des Stolzes. Jeder leckte seine Wunden. Jeder wußte, daß der andere ihn
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