Die Rose des Propheten 5 - Das Buch der Nomaden
die Augen auskratzen.«
»Nein, das wird sie nicht«, sagte Mathew. »Du kennst sie nicht, Khardan! Sie ist stolz und heftig, aber sie benutzt ihren Stolz wie einen Feuergürtel, um sich zu schützen! Im Inneren ist sie sanft und liebevoll, und das hält sie für eine Schwäche, anstatt darin eine sehr große Stärke zu sehen…«
Er sprach mit Eifer und vergaß sich selbst dabei, bis Khardan näher an ihn herantrat und neben ihm niederkniete, um ihn mit einem eindringlichen Blick zu mustern. Das Licht der Sterne und der Wüste glitzerte in den dunklen Augen des Kalifen.
»Du bewunderst sie, nicht wahr?«
Was sollte Mathew darauf sagen? Er konnte nur tief in sein Herz hineinblicken und die Wahrheit herausreißen.
»Ja«, erwiderte Mathew und senkte das Haupt. »Es tut mir leid, wenn dir das mißfällt.« Schnell blickte er wieder auf. »Und ich würde sie niemals anrühren, niemals auf unschickliche Weise an sie denken…«
»Ich weiß.«
Mathew zitterte, und Khardan legte dem Jungen beruhigend die Hand auf die Schulter. »Und ich kann es dir nicht verübeln. Sie ist schön, nicht wahr? Schön – nicht wie die Gazelle, aber wie mein Falke schön ist. Tapfer und stolz. Das Feuer, von dem du sprichst, lodert in ihren Augen. Dieses Feuer könnte die Seele eines Mannes zu Asche verglühen oder…«
»…ihn für den Rest seines Lebens wärmen?« fragte Mathew leise, als Khardan seinen Satz nicht beendete.
»Vielleicht.« Der Kalif zuckte mit den Schultern und stand auf. »Im Augenblick bin ich in ihren Augen nur glimmender Zunder. Vielleicht ist es schon zu spät für uns beide. Aber sie spricht die Wahrheit, wenn sie sagt, daß es um unser Volk geht. Ruh dich aus, Mat-hew. Ich gehe mir ein wenig die Füße vertreten, dann komme ich zurück und wache über deinen Schlaf. Du mußt wieder zu Kräften kommen. In zwei Tagen beginnen wir die Reise zum Tel.«
Die Reise in unser Verderben, dachte Mathew. Er legte sich erschöpft zurück und hörte, wie Khardan mit einem anderen Mann sprach.
Auda ibn Jad.
Vielleicht hat Er dich aus einem bestimmten Grund hierhergeführt. Mit einem Ziel.
Vielleicht auch nicht. Was ist, wenn ich mich irre?
Am nächsten Morgen war Mathew kräftig genug, um mit Zohra durch das Haus zu gehen. Sein Interesse an der toten Stadt Serinda erwachte aufs neue, als er die Wunder des Gebäudes zu sehen bekam, und wieder staunte er über die schreckliche Tragödie, die hier vorgefallen sein mußte. Doch als er mit Zohra ausführlicher über dieses Rätsel sprechen wollte, zeigte sie wenig Interesse, und schließlich begriff Mathew, daß sie ihn zu einem bestimmten Ziel führte. Sie trug einen scheuen, leisen Stolz zur Schau, ganz anders als ihr üblicher, feuriger Hochmut.
Sie kamen auf einen Mittelhof, der früher einmal eine kühle Zuflucht vor dem geschäftigen Treiben von Stadt und Haushalt geboten hatte. Jetzt lagen überall Trümmer von Statuen herum. Mathew staunte, als er inmitten einer solchen Verlassenheit und Vernichtung ein Becken mit kristallklarem Wasser erblickte.
»Deshalb gab es also keinen Wassermangel!«
Der junge Mann löschte seinen Durst, dann öffnete er seine Kleider und besprenkelte sich Brust und Hals mit Wasser. Zohra sah lächelnd zu, sie hob eine Tonscherbe auf und half Mathew beim Waschen seines langen roten Haars.
»Ist es nicht wunderbar, Zohra, wozu die Menschheit fähig ist? Wunderbar und traurig. Die Leute verschwinden, Sul besetzt langsam ihre Stadt, und doch arbeiten hier in diesem Haus die Maschinen irgendwie weiter…«
»Keine Maschinen, Mathew«, sagte Zohra leise. »Magie.«
Mathew starrte sie einen Augenblick verständnislos an. Dann schlang er plötzlich freudig die Arme um sie und drückte sie eng an sich. »Magie! Deine Magie! Du hast das Wasser gemacht! Ich wußte, daß du es kannst! Und du hattest keine Angst…«
»Davor hatte ich mehr Angst als vor allem anderen«, antwortete Zohra barsch. Ihre dunklen Augen blickten in die blauen Augen Mathews. Er spürte, wie sie zitterte, und hielt sie noch fester. »Aber ich hatte keine andere Wahl. Dieser Mann, ibn Jad, hätte dich sonst umgebracht.«
»Ach so!« Jetzt zitterte Mathew plötzlich, und es war Zohra, die ihn tröstete. »Ich habe mich schon gewundert«, murmelte er. »Deshalb hat Khardan also in der Nacht über mich gewacht.«
»Ibn Jad hat geschworen, daß er dir nichts antun würde. Aber ich traue ihm nicht.« Ihre Stimme bebte.
»Was ist los, Zohra?« Mathew hatte sie noch nie
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