Die Rose von Angelâme (German Edition)
die Spielregeln. Nur waren die ihren weitaus weniger langweilig.
Jean-Philippe war sprachlos. Damit hatte er wahrhaftig nicht gerechnet. Vielmehr schien er darauf spekuliert zu haben, seine Verlobte förmlich auf Knien um Vergebung für ihr ungeheuerliches Benehmen bitten zu sehen. Was ihm wiederum die Möglichkeit gegeben hätte, ihr großzügig zu verzeihen. All dies an die Bedingung zu knüpfen, mehr als in den vergangenen Wochen in ihrer Nähe weilen zu können wäre mit Sicherheit sein Ziel gewesen.
Solchermaßen um seine Chancen gebracht und dazu hin noch mit dem Verlobungsring in der Hand, schwanden dem Besten zunächst die Sinne.
Alle bis auf einen: den, der ihn aufrecht hielt.
„Marie“, begann er tonlos, wurde aber sofort unterbrochen.
„Jean-Philippe, sag es nicht“, warf Marie mit niedergeschlagenen Augen ein. „Ich bin nach allem, was du da gesagt hast, einfach nicht wert, deine Frau zu werden und beuge mich deiner gerechten Entscheidung.“
Ihr theatralischer Augenaufschlag verblüffte sie sogar selbst. Jean-Philippe dagegen machte er erneut sprachlos.
Was blieb dem armen Entlobten übrig? Er versprach nach einer kurzen Pause, während derer er sich von seinem Schrecken erholte, verstört, die Sache selbstverständlich und in allen Ehren auf sich zu nehmen. In weiterer Sorge um ihren Ruf selbstverständlich, und mit dem Angebot, ihr auch in Zukunft als treuer Freund zur Seite zu stehen, sobald sie seinen Namen auch nur flüstere.
Noch immer völlig durcheinander verließ er kurz darauf das Schloss. Es würde noch ein paar Tage dauern, bis er begreifen würde, was ihm geschehen war.
Marie dagegen fühlte sich unendlich erleichtert. Im Augenblick war sie dem Schicksal unbeschreiblich dankbar für diese Fügung, und trotzdem fröstelte sie vor Anspannung. Der Druck, der auf ihr gelastet hatte, war zwar von ihr genommen, aber die Druckstellen waren noch deutlich spürbar. Ihr war klar, dass sie jetzt noch keinesfalls ermessen konnte, was aus dem werden sollte, was sie soeben sowohl begonnen, als auch beendet hatte.
Sie wollte gerade das Fenster schließen, durch das inzwischen ein Schwall kalter Luft hereingekommen war, als sie irgendwo im Garten Stimmen hörte. Unwillkürlich hielt sie in ihrer Bewegung inne und lauschte mit angehaltenem Atem.
Sie erkannte das Lachen, das plötzlich da draußen erklang und die Winterluft erfüllte. Es gehörte eindeutig Jeanette. Sie schien sich mit einem Mann zu amüsieren, von dem Marie jedoch nicht viel mehr als eine halb geflüsterte Stimme vernahm.
Eine tiefe Sehnsucht nach einem Menschen überkam sie, der sie so zum Lachen brachte wie jener Unbekannte da draußen die glückliche Jeanette, und einen Augenblick lang wünschte sie, Jean-Philippe käme zurück und machte mit einem fröhlichen Lachen ihre Entscheidung ungeschehen.
Aber nein, nicht Jean-Philippe. Er hatte sie niemals so zum Lachen gebracht, das gehörte sich seiner Meinung nach wohl einfach nicht.
Sie warf den Kopf nach hinten und lachte bitter. Es gehörte sich für Leute ihres Standes vermutlich wirklich nicht.
Mit Tränen in den Augen schaute sie zu dem Bildnis des eigensinnig dreinblickenden jungen Mannes hinüber, der sie seit ihrer Kindheit fasziniert hatte und ihr Traumprinz geworden war, und ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Er hatte so wenig Ähnlichkeit mit Jean-Philippe wie ein Kastanienbaum mit einem Rosenstock - wobei sie dahingestellt sein ließ, wer in diesem Fall die Kastanie und wer die Rose war.
Mit einer entschiedenen Bewegung wollte sie erneut das Fenster schließen.
Da erstarrte sie. Der Mann, der irgendwo in der Kälte da draußen mit Jeanette geplaudert und gescherzt hatte, lachte jetzt ebenfalls hellauf. Marie kannte auch dieses Lachen - es gehörte Julien.
Julien! Ein Stich fuhr durch ihre Brust, und Marie schloss energisch das Fenster. Sollten sie es ruhig hören!
Julien und Jeanette. Natürlich, warum nicht? Die beiden hatten schließlich ein Recht darauf, sich zu amüsieren.
Wie das klang: ein Recht darauf, sich zu amüsieren. Wie um alles in der Welt kam sie nur darauf?
Marie schlug die Hände vors Gesicht. Vor kaum ein paar Minuten hatte sie ihr Verlöbnis mit Jean-Philippe gelöst, weil sie längst begriffen hatte, dass sie sich niemals geliebt hatten. Außer ihrem Vater hatte Marie noch keinen Menschen geliebt und konnte sich nicht vorstellen, ein ähnliches Gefühl jemals für irgendeinen anderen Mann zu empfinden.
Jean-Philippe wäre
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