Die Rose von Angelâme (German Edition)
nicht allzu sehr gelitten?“
Seine Stimme klang wie immer zuckersüß, wenn er versuchte, ihr um jeden Preis zu gefallen.
„Oh, ich hatte viel zu tun“, gab sie ihm ausweichend Bescheid. „Es ist mir kaum die Zeit geblieben zu leiden.“
„Ich bin bestens informiert“, antwortete er und sie fragte sich, wie sie sein Augenzwinkern einschätzen sollte. „Honoré hat mir erzählt, wie einsam du warst. Wenn man einmal von dem jungen Burschen absieht, der sich hier seit einiger Zeit herumtreibt“, fügte er fast ein wenig zu forsch hinzu.
„Er ist Maler.“
„Das habe ich gehört, ja.“
Nichts deutete darauf hin, was Jean-Philippe wirklich dachte, wenn man ihn nicht gut kannte. Marie fiel auf, in welch krassem Gegensatz dieses aufgesetzte Gehabe zu der offenen, wenngleich manchmal respektlos wirkenden Art des jungen Malers stand.
„Er arbeitet an einem Geschenk - ich - ich meine, an einem Gemälde.“
„Auch das weiß ich.“
Marie biss wütend die Zähne aufeinander. So konnte sie sich also auf die Verschwiegenheit ihres Gesindes verlassen!
Jean-Philippe lächelte sie wieder an. Sein glattes Gesicht mit den fein geschwungenen Augenbrauen, den mit langen Wimpern umkränzten, braunen Augen, der ein bisschen zu lang geratenen Nase und dem fast ein wenig zu weichen Mund erschienen ihr plötzlich seltsam fremd.
Die Spielregeln unserer Gesellschaft, dachte Marie. Er hat sie perfekt gelernt und weicht keinen Zentimeter davon ab.
Perfekt.
Bewundernswert perfekt.
Perfekt langweilig.
Marie entzog ihm irritiert ihre Hände.
„Oh, ich muss meine Leute um mehr Diskretion ersuchen“, sagte sie dabei mit gekünsteltem Lachen und griff nach dem Glockenstrang. Weniger, weil sie ihren dienstbaren Geistern etwas in Bezug auf deren Unzuverlässigkeit zu sagen gehabt hätte, als einfach, um sich um eine weitere Unterhaltung mit Jean-Philippe drücken zu können.
Er fasste sie jedoch am Handgelenk, bevor sie den Strang erreichen konnte, und hauchte einen Kuss darauf.
„Du weißt, dass dein Gesinde zuverlässig ist“, flüsterte er und hob mit der freien Hand ihr Kinn etwas an, während er ihren Arm, den er noch immer festhielt, sanft auf ihren Rücken bog. Marie war seine erzwungene Nähe so unangenehm wie nie zuvor.
„Jemand hat sich Sorgen um dich gemacht und mich benachrichtigt.“
Sein Gesicht war dem ihren viel zu nahe, stellte sie fest.
„Ich verstehe nicht, warum jemand beunruhigt ist, wenn ich einen Maler hier habe!“
Sie versuchte ihm auszuweichen, indem sie sich etwas weiter nach hinten bog.
„Nun“, führte Jean-Philippe weiter aus, „es ist zumindest ungewöhnlich, dass eine alleinstehende junge Dame deines Standes mehr Zeit mit einem Maler verbringt als mit ihrem Verlobten!“
Er ließ mit einem leichten Ruck nach oben ihr Kinn los, dass sie sich fast auf die Zunge gebissen hätte, hielt aber noch immer ihren Arm auf dem Rücken fest.
„Jean-Philippe, das hat doch nichts mit uns zu tun!“
Sie schob ihn mit der freien Hand ein wenig von sich weg, um sich wieder gerade aufrichten zu können. Ihr Rücken begann zu schmerzen.
„So? Du weißt doch, wie darüber geredet wird, Liebste. Und genau darüber hat man sich hier im Schloss Gedanken gemacht.“
Er ließ ihr Handgelenk los und legte dafür seine beiden Hände auf ihre Hüften.
Sie holte tief Luft und hörte sich schweigend seine nun folgenden Kommentare an, die darin gipfelten, dass er sie fragte, ob sie glaube, er wolle mit einer Frau verheiratet sein, die ihren Ruf bereits vor ihrer Ehe mit ihm derart gedankenlos aufs Spiel setze?
„Nein“, sagte sie kühl.
„Da siehst du’s“, antwortete er und zog seine Hände ein wenig zurück. Er hatte überhaupt nicht richtig hingehört.
„Und weil ich das keinesfalls möchte, mein lieber Jean-Philippe, erlaube ich dir hiermit, das Verlöbnis auf der Stelle zu lösen.“
Er ließ sie abrupt los und starrte sie fassungslos an.
„Wie bitte?“
Sie trat einen Schritt zurück, und sah ihm einen Augenblick lang in die Augen. Was Jean-Philippe seinem Gesichtsausdruck zufolge wohl erneut gründlich missverstand, der den Anflug einer gewissen Überlegenheit zeigte.
Er war sich dessen noch immer nicht richtig bewusst, was sie gesagt hatte.
Ehe es sich der junge Galan jedoch versah, hatte Marie ihren Verlobungsring abgestreift und ihn ihm mit der perfekt gespielten Geste tiefster Demut zurückgegeben.
Sie schlug ihn mit seinen eigenen Waffen. Denn auch sie kannte und beherrschte
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