Die Rose von Angelâme (German Edition)
Schlucke. Er behielt den Krug in der Hand.
„Der König hat ein Auge auf dieses Lehen geworfen, das meiner Kenntnis nach wohl dem Orden der Templer gehört“, fuhr er dann fort und wartete darauf, was SaintMartin dazu sagen würde.
„Das ist nicht ganz richtig. Angelâme ist aufgrund eines alten Beschlusses weder König noch sonst jemandem gegenüber in irgendeiner Weise verpflichtet.“
Pierre überlegte einen Augenblick lang, dann warf er ein: „Sie sprechen im Zusammenhang mit diesem Lehen aber stets auch von den Templern.“
„Und weiter?“
„Guillaume Imbert brütet auf Geheiß des Königs über Möglichkeiten, diesen Beschluss aufzuheben und das Lehen zurück in die Hände Philipps zu legen.“
„Auf diese Weise also versucht er an deren Vermögen zu kommen.“ SaintMartin versank in tiefes Nachdenken. „Er will uns provozieren.“ Er erhob sich nachdenklich und bedachte seinen Zögling mit einem fragenden Blick.
„Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen.“ Auch Pierre hatte sich erhoben.
„Du hast deine Arbeit sehr gut gemacht, Bruder. Ich danke dir aus tiefstem Herzen dafür.“
„Werdet Ihr das an die hohen Herren weiterleiten, die darüber bestimmen, ob ich als vollwertiges Mitglied Eures Ordens aufgenommen werde?“, traute sich Pierre, seine Gedanken laut auszusprechen.
Ein hoffnungsvolles Paar dunkler Augen war dabei auf SaintMartin gerichtet. Der Ritter wusste, wie viel Pierre daran lag, in den Orden aufgenommen zu werden. Er ahnte, wie schwer es ihm gefallen war, diese Frage zu stellen.
„Das werde ich ganz sicherlich tun“, antwortete er und streckte Pierre die Rechte entgegen.
Pierre stellte seinen Krug auf dem Boden ab und ergriff die ihm dargebotene Hand, um den Siegelring an deren Ringfinger zu küssen.
Als der Junge den Raum verlassen hatte, starrte de SaintMartin noch eine Zeit lang auf die Tür, die leise hinter dem Jungen zugefallen war. Es tat ihm von Herzen weh, um Pierres heimlichen Kummer zu wissen, den er in der Hoffnung darauf, eines Tages einer der ihren zu sein, tapfer zu verbergen trachtete.
Angelâme im Mai des Jahres 1306
Als das Osterfest vorüber war und die Felder neu bestellt wurden, hofften die Menschen des kleinen Lehens darauf, der Himmel möge ihnen auch in diesem Jahr wieder wohl gesonnen sein. Das umsichtige Handeln ihres Pfründners hatte sie bislang in bescheidenem Wohlstand und ohne Hungersnot leben lassen. Sie beteten für ihn und für eine gute Ernte, auf die er jedoch leider keinen Einfluss hatte.
„Ich bin sehr froh, dass du ihn weiterhin als deinen Verwalter arbeiten lässt“, erklärte Albert seiner Frau eines Abends. „Dein Oheim ist der geborene Lehnsherr. Ich kann noch sehr viel von ihm lernen, bevor ich seine Aufgaben übernehme.“
„Der König wird böse darüber sein, dass die besten Landstriche nicht zu seinen Lehen gehören“, gab Rose zu bedenken. „Dazu gehört Angelâme sehr wohl, dem Ergebnis des vergangenen Jahres zufolge.“
„Das ist möglich“, antwortete ihr Albert achselzuckend. „Wie kommst du darauf?“
„Ich habe nachgedacht. Es gibt Gerüchte, wonach der König sich mit diesem Lehen mehr beschäftigt als es üblich ist.“
„Gerüchte? Wovon sprichst du da?“
„Die fahrenden Händler erzählen davon, und die Mägde berichteten mir darüber.“
„Oh!“ Er hing einen Augenblick lang längst vergessen geglaubten Erinnerungen nach. „Dein Oheim und ich haben den König kennengelernt, als er vor einem oder zwei Jahren auf dem Weg nach Paris unten im Wirtshaus Rast machte. Es scheint mir, als habe er sich bei der Erwähnung des Namens derer zu Angelâme unwillig daran erinnert, dass er sich hier nicht auf seinem eigenen Grund und Boden befand und ihm jährlich eine stattliche Summe Geld entgeht.“ Er runzelte unbehaglich die Stirn, während er sich dessen bewusst wurde, was diese Gedankengänge bedeuten mochten.
„Siehst du?“
„Der König ist ein wirklich beeindruckend schöner Mann“, berichtete Albert weiter, seine düsteren Gedanken vertreibend, und um seine Frau ein wenig von ihren Vermutungen abzulenken. „Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, ob er nicht nur den falschen Anschein erweckt, sehr ehrgeizig, hart und unnachgiebig zu sein. Wie man hört, richtet er sich in allem, was er tut, nach seinen zweifelhaften Beratern am Hofe.“ Er schwieg eine Zeit lang und schaute dabei aus dem Fenster. „Das macht ihn unberechenbar. Außerdem hält er angeblich in allen Dingen an seinen
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