Die Rose von Angelâme (German Edition)
SaintMartin ihn Bruder genannt hatte.
„So ist es“, antwortete ihm sein Gegenüber mit aufmunterndem Kopfnicken. „Du hast diesen Dienst bisher zu seiner und wahrlich auch zu unserer vollen Zufriedenheit ausgeführt. Aber sprich jetzt, Bruder.“
Der junge Mann rutschte unbehaglich auf dem glatt polierten Holz hin und her. Er fühlte sich wie ein Verräter gegenüber dem König, obwohl er von Anfang an gewusst hatte, woraus seine Aufgabe bestand.
„Der König ist nach wie vor erzürnt darüber, dass ihm die Aufnahme in den Orden der Templer verweigert wurde“, begann er schließlich zögernd seinen Bericht. „Er hat sich darüber in letzter Zeit oft ungehalten gegenüber seinen Vertrauten ausgelassen und mehrere Tage lang aufgeregt mit seinem Beichtvater darüber gesprochen. Es scheint, als plane er, sich sein Anrecht auf diese Aufnahme notfalls mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verwirklichen.“
„Das hast du selber vernommen, Bruder, oder ist es nur ein Gerücht, das du gehört hast?“
„Ich habe es selber gehört. Die Herrschaften vergessen manches Mal, dass ich zugegen bin, wenn sie sich über die Belange des Hofes ereifern. Entweder denken sie, ich sei taub, oder aber ich bin so unwichtig, dass sie sich nicht vorstellen können, ich mache mir meine eigenen Gedanken über das Gesprochene.“ Pierre zog kurz die Schultern hoch. „Der König jedenfalls kann nicht verstehen, was den Orden an der Erfüllung seines Wunsches hindert.“
„Er ist ein König, Pierre, dessen fehlgeleitete Politik sein Land ein Vermögen koste!“, unterbrach ihn SaintMartin aufgebracht. Er holte tief Luft und fuhr fort: „Er ist ein Mann, der sich zudem von seinem fetten Beichtvater einflüstern lässt, seine Regentschaft sei eine Sache, die nur ihn und Gott etwas angehe!“ SaintMartin redete sich in helle Wut. Dieser junge Mann hier war im Begriff, seine übelsten Erwartungen zu bestätigen, deren Auswirkungen er letztendlich keinen Einhalt zu bieten wusste. „Dieser König ist in den Augen der wahren Kirche ein Ketzer, Pierre, weil er den Papst als einzige Instanz zwischen den Menschen und Gott dem Herrn nicht anerkennt. Er ist, Gott helfe mir! Ein gewöhnlicher Mensch und sonst nichts! Was sollen wir mit so einem anmaßenden Mann in unserer Bruderschaft?“ Er sah sein erschrockenes Gegenüber mit vor Zorn funkelnden Augen an. „Dieser König würde alles dafür tun, Großmeister unseres Ordens zu werden. Alles. Um seiner selbst willen, wohlgemerkt, nicht auf das Wohl des Ordens bedacht. Wie er ja auch keinen Pfifferling für das Wohl seines Volkes gibt.“ Er hielt einen Augenblick lang inne, seinen schrecklichen Vorahnungen nachhängend.
„Verzeiht, Herr, aber darüber bin ich nicht informiert. Ich übermittle lediglich, was Ihr von mir wissen wollt.“
Pierre beobachtete beunruhigt, wie SaintMartin im Zimmer auf und ab ging und schließlich vor ihm stehen blieb. Er konnte dessen aufgebrachter Stimmung nicht so ganz folgen, da ihm die Kenntnisse um so viele Dinge nicht zugänglich waren, die SaintMartin zu beschäftigen schienen. Jetzt fühlte er sich von seinem Gegenüber angegriffen und wusste nicht so richtig, warum.
„Du hast recht, Bruder, vergib mir meine unüberlegten Worte“, lenkte SaintMartin schließlich ruhiger geworden ein.
Pierre nickte. Er blieb trotzdem verwirrt.
SaintMartin fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er sah auf Pierre hinab, der reglos vor ihm auf dem Stuhl saß.
„Da ist noch etwas, das vielleicht von Wichtigkeit ist“, sagte der junge Mann nach einer kleinen Pause und räusperte sich.
„Sprich.“
„Sowohl der König als auch sein Beichtvater stecken in letzter Zeit häufig die Köpfe über Papieren zusammen, die mit einem Anwesen namens Angelâme zu tun haben.“
SaintMartin erstarrte.
„Weiter?“
SaintMartin war auf seinen Stuhl gesunken, ohne Pierre aus den Augen zu lassen. Er stützte seine Ellbogen auf die Oberschenkel und ließ die Hände wie kraftlos zwischen seinen Knien baumeln.
Pierre hatte eine trockene Kehle.
„Sprich weiter!“
„Eigenartig ist, dass de Nogaret die beiden des Öfteren belauscht. Er hat sogar mehrmals heimlich Einsicht in die Dokumente genommen, die sich der Dominikaner aus der Bibliothek beschafft hat.“
Pierre sah sich um, dann bat er um einen Schluck zu trinken. SaintMartin erhob sich, ging zur Tür und ließ sich von der Wache draußen einen Krug Wasser reichen.
„Hier.“
Pierre trank ein paar
Weitere Kostenlose Bücher