Die Rose von Asturien
ihrer Linken in Maites Schopf und schüttelte sie so heftig, dass das Mädchen glaubte, ihr würden die Haare samt der Kopfhaut abgerissen.
»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du deiner Herrin die Füße lecken wie ein treuer Hund!«, schrie Alma.
Maites Körper schmerzte so sehr, dass sie keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Sie wollte nur noch weg von diesem hochnäsigen Mädchen und der zornigen Frau, die aussah, als wolle sie gleich dort weitermachen, wo sie eben aufgehört hatte.
»Glaubst du nicht, dass es genug ist? Wenn du die Kleine zum Krüppel schlägst, ist sie zu nichts mehr nütze«, wandte Ermengilda ein.
»Keine Sorge! Dieses Berggesindel hält einiges aus.« Almas erste Wut war verraucht, und sie ärgerte sich jetzt über sich selbst, weil sie sich von ihrem Zorn hatte hinreißen lassen. Ihre junge Herrin hatte recht. Zuschanden geschlagen war die Sklavin wertlos.
»Ich hoffe, du hast jetzt begriffen, was dir droht, wenn du deiner Herrin noch einmal ungehorsam bist oder sie gar schlägst. Tust du es noch einmal, wirst du gebrandmarkt und an die heidnischen Mauren verkauft. Diese werden dich schon lehren, was Demut heißt.« Sie versetzte Maite noch einen Schlag auf den Kopf und zwinkerte dann Ermengilda zu.
»Ich sperre dieses störrische Ding in den leeren Ziegenstall. Dort kann es nachdenken, wie es dir am besten dienen kann. Außerdem bekommt es heute nichts zu essen.«
Ermengilda hätte die Kleine zwar lieber bei sich im Zimmer gehabt, um sich von ihr bedienen zu lassen, sagte sich dann aber, dass Alma besser wusste, wie man einer Sklavin Gehorsam beibrachte. »Tu das!«
»Morgen frisst diese Wilde dir aus der Hand, das verspreche ich dir!« Alma packte Maite am Arm und schleifte sie auf den Hof hinaus. Erst vor einer aus Bruchsteinen aufgeschichteten Hütte im hintersten Winkel der Burganlage blieb sie stehen, riss die Tür auf und stieß Maite ins Innere. Nachdem sie die Tür wieder geschlossen und mit einem Pflock gesichert hatte, drehte sie sich zu Ermengilda um, die ihnen gefolgt war.
»Eine Nacht im Ziegenstall wird dieses Biest lehren, dir zu willfahren, auch wenn sie zu Hause in ihren Bergen wohl kaum besser gehaust hat. Du aber solltest jetzt wieder ins Haus gehen, mein Liebes.«
»Bevor Maite morgen wieder in mein Zimmer darf, muss sie noch einmal gewaschen werden!« Ermengilda schnupperte und verzog das Gesicht. Da sich die Ziegen den Sommer über im Freien aufhielten, wurde der Stall zurzeit nicht genutzt. Im Innern lag der Dreck jedoch knöchelhoch, und es stank, dass es einem schier den Atem nahm. Für Maite würde es eine entsetzliche Nacht werden, sie aber auch lehren, das nächste Mal nicht mehr so dumm zu sein, sich ihr zu widersetzen. Ermengilda warf dem Stall noch einen letzten Blick zu, dann kehrte sie ihm den Rücken und ging zum Haus zurück.
8.
E
in Gutes hatte der Schmutz – Maite fiel weich. Der Geruch nach Ziegenmist störte sie nicht, denn sie hatte in den letzten Jahren auch die Ziegen ihres Vaters versorgen müssen. Allerdings wurden die Ställe daheim in Askaiz besser sauber gehalten als dieser hier.
Maite kämpfte sich auf die Beine und fletschte die Zähne. Ihr tat alles weh, doch selbst Almas Schläge hatten ihren Willen nicht brechen können. Mehr denn je wollte sie so rasch wie möglich von hier fliehen. Sie suchte sich ein Plätzchen in der Ecke, wo sie auf einem Fleck trockenen Strohs sitzen konnte, und überlegte. Der Stall hatte kein Fenster, sondern nur ein paar Luftlöcher, und das hereinfallende Licht reichte gerade aus, um schattenhafte Umrisse erkennen zu können. Das Dach bestand aus flachen Steinplatten und lag so hoch, dass sie es, wenn sie sich streckte, gerade noch mit den Fingerspitzen berühren konnte. Außerdem saßen die Platten zu fest, um einige lösen und durch das entstandene Loch hinaussteigen zu können.
Auch die Tür widerstand ihren Kräften. So blieb nur die Mauer. Als Maite diese untersuchte, löste sich unter ihren tastenden Fingern ein länglicher Stein. Zuerst versuchte sie, mit seiner Hilfe weitere Steine aus der Mauer herauszubrechen, doch der Mörtel war zu hart. Wütend wollte sie den Stein wegwerfen, als ihr etwas anderes einfiel. Der Boden war weich, und indem sie den Stein als Werkzeug benutzte, gelang es ihr in kurzer Zeit, ein Loch zu schaufeln, das so tief war, wie sie mit ihren Armen greifen konnte. Von zu Hause wusste sie, dass die Mauern so einfacher Hütten gewöhnlich nicht tief in der Erde
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