Die Rose von Asturien
gründeten.
Von dem Gedanken angetrieben, den Ort bald verlassen zu können, achtete sie nicht auf ihren schmerzenden Rücken und die dünnen Blutfäden, die ihre Beine hinabliefen, sondern arbeitete wie besessen weiter. Zu ihrer Erleichterung erreichte sie schon bald den Fuß der Mauer. Zwar war der Boden beim Bau festgestampft worden, doch sie kratzte und schaufelte sich mit Hilfe des Steines darunter hindurch und konnte schon bald auf der Außenseite weitergraben. Als sie endlich ins Freie gelangte, war es bereits tiefe Nacht. Die Sterne leuchteten hell und überzogen die Burg des Grafen und das umgebende Land mit einem feinen Schimmer. Maite hatte jedoch keinen Blick für die Pracht des Himmelszelts, sondern kroch aus dem Loch und sah sich angespannt um.
Aus dem Hauptgebäude drangen die nicht mehr ganz nüchternen Stimmen der Männer, die mit dem Grafen ihren Erfolg feierten. Diese Leute stellten die geringste Gefahr für Maite dar. Schwieriger erschien es ihr, durch das Tor der Umfassungsmauer ins Freie zu gelangen. Als sie im Schein einer Fackel dort zwei Wachen entdeckte, gab sie diesen Gedanken auf und wandte sich einem der Aufgänge zu, die auf die Wehrmauer führten. Sie schlich nach oben, stieg zwischen zwei Zinnen und starrte in die Tiefe. Ihr Magen zog sich zusammen.Doch sie war nicht bereit aufzugeben. Mit zusammengebissenen Zähnen ertrug sie die Schmerzen, die der wund geschlagene Rücken ihr bereitete, und kletterte die Mauer an der Außenseite so weit herunter, wie ihre Finger und Zehen Halt fanden. Dann atmete sie noch einmal tief ein, hielt die Luft an und ließ sich fallen.
Der Aufprall war hart. Maite rollte auf den Abhang zu, konnte sich aber gerade noch an einem Busch festhalten. Unten im Dorf schlug ein Hund an, und die Meute in der Burg antwortete ihm. Gleich darauf hörte Maite in der Ferne einen Wolf heulen.
Da sich oben Schritte näherten, drückte Maite sich mit pochendem Herzen in den Schatten der Mauer. Einer der Wachen blickte herab, entdeckte sie aber nicht und schimpfte über die Hunde, die keine Ruhe geben wollten. Maite wagte kaum zu atmen. Erst als sie hörte, wie der Wächter weiterging, verließ sie ihr Versteck und kletterte die steile Hügelflanke hinab, die Roderichs Männer für unüberwindbar hielten.
Unten blickte sie sich noch einmal um. Als sie sah, dass ihr niemand gefolgt war, rannte sie in Richtung Heimat, bis die Burg und das Dorf hinter ihr zurückblieben.
Sie hörte das Murmeln eines Baches neben der Straße und merkte plötzlich, wie durstig sie war. Da der Ziegenmist fingerdick an ihr klebte und sie sich davor ekelte, aus den schmutzigen Händen zu trinken, beugte sie den Kopf über die Wellen und schlabberte das Wasser wie ein wildes Tier. Danach stieg sie in den Bach und schrubbte Arme und Beine mit dem feinen Sand, den das Gewässer an seine Ufer geschwemmt hatte. Ihr Blick glitt dabei immer wieder nach Osten. Es war ein weiter Weg bis nach Askaiz, doch sie schwor, sich eher von Wölfen und Bären fressen, als sich noch einmal von den Asturiern einfangen und hierherschleppen zu lassen.
9.
B
eim Erwachen galt Ermengildas erster Gedanke ihrer neuen Sklavin. Ohne sich zu waschen oder mehr überzustreifen als einen Kittel, schlüpfte sie aus ihrem Zimmer und rannte barfuß über den Hof zum Ziegenstall. Sie wollte das Mädchen aus seinem Gefängnis holen und es zum Waschen schicken, damit es sie hinterher bedienen konnte. Rasch entfernte sie den Pfosten vor der Tür des Stalles, öffnete sie und rief nach Maite. Nichts.
»Maite, komm jetzt!«, befahl Ermengilda verärgert. Diese Bergwilde war anscheinend noch genauso verstockt wie am Vortag. Ich kann unmöglich in den schmutzigen Stall gehen und dieses Biest herausziehen, fuhr es ihr durch den Kopf. Sie wollte sich schon umdrehen und Alma holen, als neben dem Stall ein wütender Ausruf erscholl.
»Wer hat denn dieses Loch hier gegraben? Beinahe wäre ich hineingefallen.« Eine Magd hatte im Hühnerstall die Eier abgetragen und war eben mit dem vollen Strohkorb um die Ecke gebogen.
Ermengilda schoss um die Hütte herum und starrte auf das Loch. Es führte tief in die Erde. Ein Stock, der etwa so lang war wie sie selbst, verschwand bis weit über die Hälfte darin. Im ersten Augenblick wollte sie es nicht glauben, doch als Alma erschien und mit einer Fackel das Innere des Ziegenstalls ausleuchtete, gab es keinen Zweifel mehr. Die kleine Sklavin hatte sich wie ein Dachs durch die Erde gegraben und
Weitere Kostenlose Bücher