Die Rose von Asturien
einen der anschleichenden Waskonen, »… bis auf diesen Blondschopf dort. Den lasst am Leben! Wir brauchen ihn noch.«
»Sollen wir den Kerl gefangen nehmen?«, fragte Ramiro.
»Ja, aber er muss verletzt sein. Unversehrt nützt er uns nichts. Und jetzt still! Die Kerle kommen.« Graf Roderich zog sein Schwert so leise, wie es möglich war, aus der Scheide und bleckte die Zähne. An diesem Abend würden die Schafdiebe für all den Ärger bezahlen, den sie ihm seit Jahren bereiteten. Seine Augen saugten sich an dem nicht übermäßig großen, aber sehnigen Anführer der Waskonen fest. Er konnte nicht mehr sagen, wie oft dieser Schurke ihn bereits an der Nase herumgeführt hatte. Wahrscheinlich hatte das Weib des Kerls schon seit Jahren kein eigenes Schaf mehr in den Kochkessel stecken müssen, so viele hatte der Mann seinen Nachbarn gestohlen und nach Hause gebracht.
Inzwischen waren die Angreifer nahe genug herangekommen und stürmten nun brüllend auf die drei Hirten zu. Diese hoben zuerst ihre mit Eisenspitzen bestückten Stöcke, die sich für den Kampf gegen Bären, Wölfe und Viehdiebe sehr gut eigneten. Dann aber wichen sie von der Zahl der Waskonenerschreckt zurück und trieben dadurch die Schafe ein Stück weiter nach unten.
»Gut gemacht«, murmelte der Graf und zügelte seinen unruhig werdenden Hengst. Auch die Männer an seiner Seite gierten danach, gegen die Waskonen anzureiten.
Gebieterisch hob Roderich die Hand. »Wartet! Erst müssen alle Kerle auf der Weide sein. Ich will nicht, dass einer zwischen die Felsen fliehen kann und entkommt. Dort hinauf müssten unsere Pferde fliegen.«
Einer der Männer lachte, brach aber sofort ab, als Ramiro ihm einen Stoß versetzte. Zum Glück waren die Waskonen selbst zu laut, als dass sie ihn hätten hören können. Ihres Erfolges sicher, sammelten sie sich jetzt auf dem oberen Teil der Weide, und ihr Anführer teilte sie auf, um die Herde abzufangen.
Auf diesen Augenblick hatte Graf Roderich gewartet. »Los, Männer!«, rief er und trieb seinen Hengst an. Solange sie noch zwischen Bäumen waren, musste er vorsichtig reiten, doch kaum hatte er die Weide erreicht, gab er dem Tier die Sporen. Hinter ihm tauchten seine Reiter aus dem Waldesdunkel auf und stürzten sich auf die überraschten Feinde.
Deren Anführer rief seinen Männern zu, zum Felshang zu rennen, und versuchte selbst, das rettende Gelände zu erreichen. Doch das hatten Roderichs Reiter vorausgesehen und schnitten den Fliehenden den Weg ab. Gleichzeitig zuckten die Spitzen ihrer Speere auf die Diebe zu. In den Bergen waren die Waskonen gefährliche Gegner, die aus dem Hinterhalt zuschlugen und ebenso gut klettern konnten wie ihre Ziegen. Hier auf der sanft abfallenden Wiese aber saßen sie in der Falle. Von den besser bewaffneten Reitern in die Zange genommen, versuchten die Schafdiebe vergeblich zu fliehen. Einige warfen sogar die hinderlichen Speere fort, um sich mit gewagten Sprüngen in Sicherheit zu bringen. Sie wurden als Erste getötet.
Der Anführer der Waskonen versuchte, mit den Überlebenden einen Verteidigungsring zu bilden, doch die Asturier nutzten den Vorteil ihrer längeren Speere gnadenlos aus. Während keiner von ihnen ernsthaft verwundet wurde, sank ein Waskone nach dem anderen zu Boden.
Zuletzt standen nur noch der Anführer und der blonde Bursche auf den Beinen. Sie tauschten einen Blick und rannten dann brüllend auf die Asturier zu.
Graf Roderich nahm noch wahr, wie der Blonde, der am Oberschenkel und an der Schulter verwundet war, dennoch weiterzukämpfen versuchte. Dann sah er sich dem Anführer der Schafdiebe gegenüber, der seinen Hengst fixierte. Roderich ahnte, dass der Kerl sein Pferd töten wollte, um ihn zu Fall zu bringen, und zwang das Tier dazu, ein paar Schritte rückwärtszugehen. Bevor der Waskone ihm folgen konnte, waren Ramiro und mehrere andere Reiter heran und rammten dem Mann ihre Speere in den Leib.
Noch während der Waskone zu Boden stürzte, lachte Ramiro wie befreit auf. »Der Kerl hat das letzte Schaf aus unseren Herden geraubt, Don Rodrigo.«
»Wickelt seinen Kadaver in eine Decke und bindet ihn auf ein Pferd. Was ist mit dem Blondschopf? Lebt der noch?« Ramiro nickte eifrig. »Das tut er, Herr. Auch wenn ich nicht recht begreife, warum wir ihm nicht ebenfalls das Lebenslicht ausblasen sollen.«
»Ich sagte, wir brauchen ihn noch. Also sorgt dafür, dass er lange genug am Leben bleibt. Unsere Verletzten bleiben hier und helfen den Hirten, die
Weitere Kostenlose Bücher