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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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funkelte Maite die eigenen Männer an, die wie Schafe herumstanden und vor Angst zu vergehen schienen, obwohl sie Roderichs Schar der Anzahl nach weit überlegen waren. Die Asturier waren in Askaiz aufgetaucht, ohne dass Asier, der Wache halten sollte, das Dorf gewarnt hätte. Nun starrten die Bewohner auf die blitzenden Schwerter und Speerspitzen der Eindringlinge und wagten sich nicht zu rühren.
    Maite empfand in diesem Moment mehr Wut als Entsetzen oder Trauer. Ihr Vater wäre mit dem aufgeblasenen Grafen und seinen Reitern fertig geworden, das wusste sie. Daher gab es für sie nur einen Schluss: Die Asturier mussten ihn in eine Falle gelockt haben.
    Graf Roderich bemerkte die Drohgebärden des Kindes nicht einmal, sondern ließ den Blick selbstzufrieden über die erstarrten und verängstigten Gesichter der Bewohner von Askaiz schweifen. Ohne einen kühnen Anführer wie Iker sind sie wie Schafe, die vor dem Wolf zittern, dachte er und deutete auf einen der Männer. »Wer ist nun euer Anführer? Er soll vortreten und hören, was ich ihm zu sagen habe!«
    Einige der Umstehenden drängten zur Seite und öffneten eineGasse für den Schwager des toten Häuptlings. Okin, der die dreißig bereits vor Jahren überschritten hatte, war ein kräftig gebauter Mann mit rundlichem Gesicht, das seinen sonst verkniffen wirkenden Ausdruck mit einem Mal verloren zu haben schien. Er ging breitbeinig auf Roderich zu, blieb zwei Schritte vor dessen Pferd stehen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Was willst du?«
    Über das Gesicht des Asturiers huschte ein kurzes Zucken, und dann trafen sich die Blicke der beiden Männer in heimlichem Einverständnis. Als Roderich zu sprechen begann, klang seine Stimme jedoch schroff. »Bist du der neue Häuptling?«
    »Ich bin Ikers Schwager und von ihm beauftragt, den Stamm während seiner Abwesenheit zu führen.«
    »Dann wirst du deinen Stamm wohl auf Dauer führen müssen, es sei denn, Iker kehrt aus der Hölle zurück!« Roderich lachte, während Okins Augen zufrieden aufleuchteten.
    Da trat ein alter Mann vor und hob abwehrend die Hand.
    »Der Visigote kann sagen, was er will, Okin. Du wirst nur so lange unser Anführer sein, bis Ikers Tochter alt genug ist, sich einen Mann zu wählen. Dieser wird dann die Stelle ihres Vaters einnehmen!«
    Obwohl Maite erst acht Jahre zählte, begriff sie, dass von ihr die Rede war. Nach dem Tod ihres Vaters floss das Blut der alten Häuptlinge nur noch in ihren Adern, und es war ihre Aufgabe, es an die nächste Generation weiterzugeben. Dafür war sie jedoch noch viel zu jung. Das machte sie noch wütender, denn nun gab es niemanden, der ihren Onkel hindern konnte, sich vor den anderen Stammesmitgliedern als Anführer aufzuspielen, wie er es bisher jedes Mal getan hatte, wenn ihr Vater unterwegs gewesen war. Auch jetzt plusterte er sich auf und redete mit dem asturischen Anführer – dem Mörderihres Vaters –, als sei dieser ein geehrter Gast. An seiner Stelle hätte sie die Männer aufgerufen, ihren toten Häuptling zu rächen. Aber dafür ist er zu feige, dachte sie hasserfüllt.
    Graf Roderich schien sich nicht für den Einwand des Alten zu interessieren, sondern lenkte sein Pferd näher an Okin und stieß ihn mit der Fußspitze an. »Du und deine Leute, ihr werdet König Aurelio die Treue schwören und mir in Zukunft Tribut entrichten. Sonst komme ich zurück, und dann bleibt von eurem Stamm nicht einmal mehr der Name übrig!«
    Unter den Männern und Frauen, die sich bis jetzt ängstlich im Hintergrund gehalten hatten, schwoll wütendes Gemurmel auf. Doch niemand wagte, sich gegen die dreisten Forderungen des asturischen Grafen zu stellen. Maite schämte sich immer mehr für ihre Leute, die vor dem Asturier kuschten, anstatt ihn aus dem Sattel zu reißen und für Ikers Tod bezahlen zu lassen.
    Inzwischen hatte Estinne ihren Griff gelockert, so dass Maite sich mit einem Ruck befreien konnte. Voller Zorn rannte sie auf Roderich zu. Ihr Onkel sah sie kommen und streckte unwillkürlich den Arm aus, um sie aufzuhalten. Doch ehe sie ihn erreicht hatte, trat er einen Schritt zurück und grub seine Daumen in den Gürtel, als ginge ihn das, was nun folgte, nichts an.
    Als Maite das Pferd des Asturiers erreichte, begriff sie, dass sie nichts gegen den Mann ausrichten konnte. Sie besaß ja nicht einmal ein Messer. In ihrer Verzweiflung schlug sie mit ihren Fäusten gegen sein rechtes Bein und schrie ihm dabei sämtliche Flüche ins Gesicht, die sie

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