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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Bücher, und Dr. Wyatt hat mir noch eine Grammatik gegeben, mit der ich arbeite. Findest du nicht, daß ich schon ziemlich gut bin?«
    »Sie sind perfekt.« Sein Englisch war tatsächlich um vieles besser geworden. Allerdings sprach er nach wie vor mit einem starken französischen Akzent, den Beatrice aber höchst interessant fand. Sie hätte ihm stundenlang zuhören können.

    »Ich weiß ja nicht«, fuhr Julien fort, »ob ich je in meine Heimat zurückkann. Nach meiner Ansicht wird es auch das unbesetzte Frankreich nicht mehr lange geben. Die Deutschen breiten sich aus wie ein Krebsgeschwür, schnell und rücksichtslos wuchernd. Wenn es mir also je gelingen sollte, diese Insel zu verlassen, kann ich vielleicht nur nach England hinüber. Besser, ich beherrsche dann die Sprache.«
    Seine dunklen, melancholischen Augen verschleierten sich, und ein Ausdruck von Trauer und Müdigkeit, der Beatrice anrührte, legte sich über sein Gesicht. Sie war versucht, nach seiner Hand zu greifen, scheute aber davor zurück.
    »Sie haben Heimweh, nicht wahr?« fragte sie statt dessen.
    Julien nickte. »Manchmal denke ich, ich sterbe vor Heimweh. Nach meinen Eltern, den Geschwistern, nach meinem Land. Nach den Freunden, nach meiner Sprache. Und nach der Freiheit.« Er atmete tief. »Kälte und Feuchtigkeit hängen in deinen Kleidern und in deinem Haar, Beatrice. Ich möchte am liebsten davon trinken. Oft habe ich ein solch starkes Bedürfnis, hinauszulaufen, über die Wiesen zu rennen, über die Klippen am Meer zu klettern, durch Wälder zu streifen, meinen Kopf auf die Erde zu legen, Gras und Rinde und Blumen zu atmen oder den kalten Wind auf meinem Gesicht zu spüren. Ich denke, ich werde verrückt, wenn ich nicht endlich meine Kraft wieder ausprobieren kann, meine Muskeln und meinen Körper spüren...« Er bewegte seinen Arm. »Ich trainiere jeden Tag mit Gewichten. Ich kann nicht nur an einem Fleck sitzen und zusehen, wie mein Körper schlaffer und schwächer wird.«
    »Vielleicht dauert das alles nicht mehr lange«, tröstete Beatrice, »es heißt, es steht nicht gut für die Deutschen in Rußland.«
    Julien hob beide Hände. »Wer weiß es? Hitler hat den Teufel auf seiner Seite. Der Teufel ist stark.« Abrupt wechselte er das Thema. »Wie geht es Pierre? Ist er noch bei euch?«
    »Ja. Sie haben ihn damals verhört. Und gefoltert.«
    »Das habe ich befürchtet. Ich hätte nicht weglaufen sollen, nicht wahr? Aber ich habe schon so lange mit dem Gedanken gespielt. Immer wieder habe ich Pläne gemacht, und ich habe auch versucht, Pierre dafür zu gewinnen. Ich wollte mit ihm fliehen. Aber
Pierre war zu ängstlich. Er hat immer gesagt, er wagt es nicht, so etwas zu tun. Irgendwann war mir klar, daß ich es nur allein machen kann. Daß er nicht die Nerven dafür haben würde.«
    »Es geht ihm jetzt einigermaßen gut«, sagte Beatrice. »Im Winter ist auch nicht soviel zu tun. Er bekommt sehr wenig zu essen, aber insgesamt wird er gut behandelt.«
    Julien nickte gedankenverloren. Dann wieder schweiften seine Augen wach und unruhig durch die Küche.
    »Wir müssen sehr vorsichtig sein«, sagte er eindringlich. »Bist du sicher, daß niemand dir gefolgt ist?«
    »Nein, niemand. Und ich werde auch zu niemandem etwas sagen. Ich hoffe nur...« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, wissend, daß Julien ahnte, woran sie dachte. Razzien und Hausdurchsuchungen waren auf der Insel an der Tagesordnung, und Dr. Wyatt konnte es ebensogut treffen wie jeden anderen auch. Julien schwebte Tag und Nacht in höchster Gefahr.
    »Wir stehen das alles durch«, sagte sie und machte eine Handbewegung, die die kleine Küche einschloß und die ganze Insel meinte. »Das alles. Diesen ganzen Krieg, die Deutschen, den ganzen verdammten Schlamassel eben.«
    Julien lächelte. Ein Strahlen erhellte seine düsteren Züge und ließ ihn so jung aussehen, wie er war.
    »Den ganzen verdammten Schlamassel«, wiederholte er. »Ich bin überzeugt, wir schaffen das.«
     
    Das Kriegsglück der Deutschen begann sich ernsthaft zu wenden im Frühjahr 1942, und trotz aller Bemühungen der Besatzer, Nachrichten zu unterdrücken und statt dessen die eigene Propaganda wirksam werden zu lassen, bekam die Inselbevölkerung genau mit, was sich an den Fronten in aller Welt abspielte: Fast kein Haushalt, der nicht heimlich BBC gehört hätte. Gerüchte sprangen von Ort zu Ort, von Haus zu Haus. In Rußland sah es gar nicht gut aus, hieß es, und die deutsche Bevölkerung leide in den

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