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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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aushalten zu können. Er würde zu trostlos sein, zu traurig. Sie zog ihren Mantel an, huschte hinaus und machte sich auf den Weg zu Mae.
    Die Luft war kalt und feucht, und der Nebel ließ nur eine Sicht von wenigen Metern zu. Silbriger Rauhreif lag über den Wiesen rechts und links der Straße. Hin und wieder stahl sich ein Streifen Sonne zwischen den Nebelwänden hervor und sickerte über die Gräser und Mauern. Kein Laut war zu hören. Eine vollkommene Stille hüllte die Insel ein, der Nebel schien alles Leben verschluckt zu haben. Beatrice zog fröstelnd die Schultern hoch und wußte dabei, daß ihr Frieren nicht nur von der Kälte herrührte.

    Das gemütliche Haus der Wyatts mit seinen Sprossenfenstern und den vielen Obstbäumen im Garten tauchte am Ortsausgang vor ihr auf. Nirgendwo brannte Licht, was Beatrice irritierte. Schlief die Familie noch? Aber die Läden waren geöffnet, und nach einigem Zögern betätigte Beatrice den Türklopfer aus Messing.
    Nichts rührte sich. Sie probierte es ein zweites Mal, aber wiederum blieb alles still. Sie ging um das Haus herum, trat an die Küchentür, spähte durch die Glasscheibe hinein. Sie sah Julien, der am Tisch saß und Kaffee trank.
    Er erblickte sie im gleichen Moment wie sie ihn und sprang auf. Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als wolle er aus der Küche stürzen und sich verstecken, aber dann wurde ihm wohl die Sinnlosigkeit einer solchen Reaktion klar. Er blieb also stehen, und sie starrten einander an, Beatrice voller Staunen, und Julien voller Entsetzen.
    Dann kam Julien auf die Tür zu, schob den Riegel zurück und öffnete.
    »Beatrice!« Seine Stimme klang heiser. »Bist du allein?«
    »Ja. Es ist niemand bei mir. Julien... ich weiß gar nicht, was ich... «
    Er trat einen Schritt zurück. »Komm rein!« flüsterte er, und kaum war sie drinnen, verriegelte er die Tür schon wieder.
    »Ich habe vorn geklopft. « Unwillkürlich flüsterte auch Beatrice. »Aber als sich nichts rührte...«
    »Ich habe das gar nicht gehört«, sagte Julien. Er sah sehr blaß aus, immer noch zutiefst erschrocken. »O Gott, es war wohl schrecklich leichtsinnig von mir, hier in der Küche zu sitzen. Es hätten Deutsche sein können, die plötzlich zur Tür hereinschauen. «
    »Oder Nachbarn, die Sie verraten könnten«, meinte Beatrice. »Wie lange sind Sie denn schon hier?«
    »Seit dem dritten Tag nach meiner Flucht. Ich hatte mich zunächst in den Felsen an der Küste versteckt, aber dort konnte ich natürlich nicht überleben. Dr. Wyatt war der einzige Mensch, den ich kannte - und dem ich vertraute. Er hat mich sofort aufgenommen. «
    »Ich war so oft hier«, sagte Beatrice, »und nie habe ich etwas bemerkt.«

    »Ich lebe auf dem Dachboden.« Julien verzog das Gesicht. »Nicht der beste Aufenthaltsort, aber besser als die Arbeit für die Deutschen. Dr. Wyatt überlegt immer wieder, wie er mich von der Insel wegbringen kann, aber er meint, es sei zu gefährlich. Die Deutschen bewachen alle Küsten ringsum.«
    »Weiß Mae Bescheid?« fragte Beatrice, und Julien nickte.
    »Natürlich. Es würde nicht funktionieren, wenn man sie nicht eingeweiht hätte. Offenbar hat sie aber tatsächlich den Mund gehalten. «
    »Das hat sie.« Beatrice war erstaunt. Die alberne, kindische Mae brachte es tatsächlich fertig, über eine solche Sensation zu schweigen. Das hätte sie ihr nicht zugetraut.
    »Wo sind Mae und ihre Eltern?« fragte sie.
    »Bei Freunden. Sie sind zum Weihnachtsfrühstück eingeladen und werden mittags wiederkommen. Möchtest du einen Kaffee, Beatrice? Setz dich doch! « Er rückte einen Stuhl für sie zurecht. Allmählich schien er sich zu entspannen. »Ich mußte einfach mal vom Dachboden herunter. Man wird ganz verrückt da oben. Manchmal habe ich richtig Platzangst. Ich möchte das Fenster aufstoßen und schreien, aber natürlich tue ich es nicht.« Er nahm eine zweite Tasse aus dem Schrank, stellte sie vor Beatrice hin, schenkte Kaffee ein. »Hier, trink das. Du siehst ziemlich verfroren aus.«
    Der heiße Kaffee tat gut. Beatrice schloß ihre klammen Finger um die Tasse, spürte das Kribbeln der Wärme.
    Wie schön ist es, dachte sie, hier mit Julien zu sitzen und Kaffee zu trinken, anstatt mir drüben Erichs Geschwätz und Helenes Gejammer anzuhören.
    »Was machen Sie den ganzen Tag?« fragte sie.
    Julien sah richtig stolz aus. »Ich lerne Englisch. Ich kann es ja aus der Schule, aber mir fehlte natürlich die Übung. Jetzt lese ich englische

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