Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Rippenbögen, die sich deutlich unter der blassen Haut abzeichneten, und die kleinen, weißen Brüste, auf denen hauchfein blaßblaue Adern verliefen und deren Spitzen hellrot und fest waren. Ihre Unterhose zog sie nicht aus, das wäre ihr peinlich gewesen wegen des Spiegels und ihrer Gedanken an Julien. Aber
sie konnte die Hüftknochen sehen, die scharf hervorstanden, und ihre Oberschenkel, die sehr lang und sehr glatt waren.
Ich müßte ein bißchen runder werden, dachte sie, Männer mögen das, oder? Sie erinnerte sich, daß Deborah manchmal gejammert hatte, sie habe zugenommen, und daß Andrew dann immer gesagt hatte, sie solle um Himmels willen jedes Gramm hegen und pflegen und möglichst noch ein wenig zulegen.
»Irgend etwas muß ich doch anfassen können«, sagte er. »Soll ich etwa mit leeren Händen dastehen?«
»Das Kind!« zischte Deborah dann verschämt, aber »das Kind« hatte sowohl die Worte genau verstanden, als auch die Blicke bemerkt, mit denen Andrew Deborahs Körper streichelte. Wie bei Julien, dachte Beatrice nun, wenn er mich ansieht.
Der Gedanke verursachte ein eigentümliches Gefühl in ihrem Magen, eine Art Schauer, ein leises, angenehmes Ziehen.
Vielleicht war Julien auch in sie verliebt.
Der Gedanke machte sie unruhig, aber auch glücklich. Es bedeutete, daß sich etwas in ihrem Leben verändern würde, oder daß sich sogar schon etwas verändert hatte. Aber vielleicht steigerte sie sich in eine ganz unsinnige Idee hinein: Konnte es wirklich sein, daß sich ein zwanzigjähriger Mann in ein dreizehnjähriges Mädchen verliebte?
Bald vierzehn, korrigierte sie sich, im September.
Ein paar Tage später sprach sie zufällig mit Julien über ihren Geburtstag, und er fragte sie, was sie sich von ihm wünsche. Sie saßen auf dem Dachboden, hatten gerade die Lektüre von Notre-Dame von Paris beendet. Es war sehr warm draußen; sie hatten die Luke geöffnet, aber dennoch schien die Luft stickig und staubig. Julien war schon die ganze Zeit unruhig gewesen, hatte die Lektüre immer wieder unterbrochen, war hin und her gelaufen. Es jährte sich nun bald der Tag, an dem er geflohen und untergetaucht war, und der Gedanke daran schien ihn mit Entsetzen zu erfüllen.
»Ein Jahr! Ein ganzes Jahr!« Er sprach mit stärkerem Akzent als sonst. »Ein Jahr schon sitze ich auf diesem Speicher, eingesperrt wie ein Tier in einem Käfig, und nichts hat sich geändert. Die Deutschen sind immer noch da, meine Heimat ist besetzt, diese Inseln ebenfalls.
Es kann Jahre so weitergehen, Jahrzehnte! Mein ganzes Leben werde ich auf diesem Dachboden verbringen! Irgendwann werde ich mir nicht einmal mehr wünschen, es möge anders sein, weil ich nicht mehr fähig bin, draußen zu existieren. Man verlernt es, weißt du. Und vielleicht ziehen die Deutschen ab, wenn ich ein alter Mann bin, und ich gehe hinaus und finde eine Welt vor, die keine Ähnlichkeit mehr hat mit der, die ich gekannt habe.«
»Alle sagen, daß die Deutschen nicht mehr lange siegen werden. «
»Das weiß niemand. Es kann so oder so kommen. Und meine Zeit verrinnt. Ich sitze hier, und niemand hilft mir. Niemand!«
Irgendwann hatte er sich wieder hingesetzt, hatte weitergelesen, aber er war unkonzentriert gewesen und hatte so schnell gesprochen, daß Beatrice manchmal Mühe hatte, ihn zu verstehen. Schließlich klappte er das Buch zu, sah sie an und fragte sie, wann sie Geburtstag habe und was sie von ihm haben wolle.
»Ich weiß nicht. Es ist noch so lange bis dahin.«
»Trotzdem. Ich möchte wissen, was du dir wünschst.«
Sie überlegte. »Ich hätte gern das Buch«, sagte sie, »die Geschichte vom Glöckner von Notre-Dame.«
Julien reichte es ihr sofort über den Tisch hinweg zu.
»Hier. Behalte ihn. Natürlich sollst du ihn haben - deinen ersten Roman in französischer Sprache. Aber dieses alte, zerfledderte Buch ist kein wirkliches Geburtstagsgeschenk.«
Beatrice fragte sich, was er ihr sonst hätte schenken wollen. Er hatte doch nichts; nicht einmal die Kleider, die er trug, gehörten ihm, sondern Dr. Wyatt.
»Es ist ein wunderschönes Geschenk«, sagte sie.
»Nein, nein«, widersprach Julien, stand auf, fing erneut an im Kreis umherzulaufen. Sein Gesicht verriet Anspannung. Plötzlich blieb er stehen.
»Ich habe eine Idee«, verkündete er, »ich kann dir nichts Richtiges schenken, aber wir können etwas Besonderes an deinem Geburtstag machen. Wir werden die Nacht vor deinem Geburtstag am Meer verbringen. Wir werden über die
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