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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Sein Geburtstag ist doch immer so kritisch für ihn... Könntest du nicht ... ? «
    Er ist doch ihr Mann, dachte Beatrice verbittert, als sie hinaufging, warum setzt sie immer mich ein, wenn es um ihn geht?
    Erich reagierte nicht auf ihr Anklopfen, aber die Tür war nicht verschlossen, und Beatrice trat schließlich einfach ein. Heftiger Alkoholgeruch schlug ihr sofort entgegen, das ganze Zimmer war erfüllt davon, und in den Dunst mischte sich ein unangenehmer Schweißgestank. Erich stand am Fenster und sah hinaus in die frühe winterliche Dämmerung, die sich bereits über den Garten senkte und mit jeder Minute schwärzer und finsterer wurde. Er hatte kein Licht angemacht, im Zimmer waren nur noch die Umrisse der Möbel zu erkennen.
    »Beatrice?« fragte er, ohne sich umzudrehen. »Bist du es?«
    »Sir, wir wollten wissen, ob Sie nicht hinunterkommen mögen. Helene will die Torte anschneiden.«
    »Ist es nicht eine furchtbare Jahreszeit?« Er ging auf ihre Frage nicht ein, drehte sich noch immer nicht um. »So dunkel, so kalt. Hast du bemerkt, daß den ganzen Tag über kein Licht war am Himmel? Nur schwere, graue Wolken. Ein Tag, der nicht hell wurde. Die Dunkelheit des Morgens geht über in die Dunkelheit des Abends. Dazwischen bleibt nichts.«

    »Sie...«
    »Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, ob es eine Rolle spielt im Leben eines Menschen, in welcher Jahreszeit er geboren wird? Ob in der hellen und warmen oder in der dunklen, kalten? Glaubst du, es prägt sein Leben?«
    »Ich glaube das eigentlich nicht.«
    »Du bist Anfang September geboren, Beatrice. Das ist im Spätsommer, und die Welt blüht und duftet und wird mit jedem Tag feuriger und bunter. Du kamst auf die Welt und wurdest empfangen von Licht und Schönheit. Du mußt geglaubt haben, in ein Paradies gekommen zu sein.«
    Er sprach ein wenig schwerfällig, machte hin und wieder längere Pausen zwischen den Worten, hatte ein wenig Mühe, sich zu konzentrieren, hatte aber offensichtlich auch lange genug über diese Gedanken gebrütet, um sie nun trotz allem formulieren zu können.
    »Ich bin in der dunkelsten Zeit geboren«, fuhr er fort. »Am 24. Dezember. Der 21. Dezember ist der kürzeste Tag des Jahres. Der 24. ist nicht viel besser. Eigentlich ist es gar kein Tag. Es ist eine ununterbrochene Nacht.«
    Draußen, jenseits des Fensters, verdichtete sich die Dunkelheit. Es erschien Beatrice schwierig, seinen Worten etwas entgegenzuhalten.
    »Dafür ist es Weihnachten«, sagte sie schließlich, »das ist doch etwas ganz Besonderes.«
    Erich lachte, es klang unfroh und gequält.
    »O ja«, sagte er, »etwas ganz Besonderes. Dieser verdammte 24. Dezember ist so besonders, daß kein Mensch jemals daran denkt, daß an diesem Tag noch etwas anderes hätte passiert sein können als die Geburt Jesu. Meine zum Beispiel. Das hat nie irgend jemanden interessiert.«
    Er drehte sich endlich um. Ganz schwach konnte Beatrice sein Gesicht erkennen. Es kam ihr grau, alt und müde vor.
    »Ich bin nie wichtig gewesen. Für niemanden. Weißt du, was meine Mutter oft zu mir gesagt hat? ›Erich‹, hat sie gesagt, ›du hast mir Weihnachten damals gründlich verdorben. Alle saßen sie unter dem Tannenbaum und haben gefeiert. Ich lag im Bett und mußte
dich zur Welt bringen. Hättest du dir nicht einen anderen Tag aussuchen können?‹«
    »Das hat sie im Spaß gemeint«, sagte Beatrice.
    »Natürlich hat sie es im Spaß gemeint. Natürlich. Aber kein Spaß ist jemals nur ein Spaß, verstehst du? Ein Funken Ernst und Wahrheit ist immer dabei. Meine Mutter hat an jenem Heiligen Abend 1899 bestimmt wirklich gedacht: Verdammt! Warum ausgerechnet heute? Konnte der Bengel nicht etwas früher oder später kommen? Warum heute?«
    »Das kann sich niemand aussuchen«, sagte Beatrice sachlich. Wie immer, wenn sie sich mit Erich unterhielt, verspürte sie den ersten Anflug von Kopfschmerzen. Es war, als verkrampfe sich etwas in ihrem Gehirn. Warum machte er seine Probleme nicht irgendwann einmal mit sich allein ab?
    Er starrte sie an. »Mein Leben ist so dunkel wie der Tag, an dem ich geboren wurde.«
    »Möchten Sie nicht mit hinunterkommen?«
    »Ich komme später«, sagte er und wandte sich wieder zum Fenster.
    Er erschien nicht zum Essen. Helene und Beatrice saßen allein bei Heringssalat und Wein. Helene war nervös und angespannt.
    »Jedes Jahr ist dieser Tag ein Drama«, sagte sie und spielte unruhig mit ihrem Serviettenring. »Ich weiß nicht genau, womit er nicht

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