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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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nachzudenken. «
    Sie merkte, daß sie ihn verwirrte.
    Es bringt ihn durchaus aus dem Konzept, wenn jemand keine Angst vor ihm hat, dachte sie, und wenn jemand ruhig bleibt.
    »Nachdenken!« blaffte er. »Nachdenken! Worüber, zum Teufel, willst du nachdenken?«
    Sie bemühte sich, ihre Tonlage nicht zu verändern, obwohl ihr nach einer scharfen Bemerkung zumute war, denn sie empfand seine Ignoranz zunehmend als Unverschämtheit.
    »Über die Zukunft«, sagte sie, »darüber, wie sie aussehen soll.«
    »So. Und das willst du auf Guernsey allein für dich entscheiden? «
    »Mit dir zusammen dürfte eine Entscheidungsfindung sehr schwierig sein. Ich habe nicht den Eindruck, daß du an der Situation, wie sie ist, etwas ändern möchtest. Du bist ganz zufrieden und hast eigentlich alles, was du brauchst.«
    Er dachte nach. Sie wußte, daß er zumeist sehr bösartig war, wenn er nachgedacht hatte.
    »Weißt du«, sagte er, »es verläuft wieder einmal alles nach dem gleichen Muster. Eine Situation ist dir unbequem, irgend etwas paßt dir nicht, das Leben verläuft gerade einmal anders, als du es
dir vorgestellt hast - und schon wirfst du das Handtuch. Du hast keinerlei Stehvermögen, Franca, du hast, wie man so schön sagt, keinen Biß. Du kannst keine Spannung aushalten, und noch weniger kannst du Unannehmlichkeiten offensiv angehen. Du machst es einfach wie immer: Du läufst weg. Du verkriechst dich, versteckst dich, bohrst den Kopf in den Sand und hoffst, daß alles Unheil irgendwie über dich hinwegflutet. Und merkst nicht, daß du dabei immer schwächer und ängstlicher wirst. Immer unfähiger und immer... «
    Seine Stimme hämmerte wie ein Maschinengewehrfeuer. Franca spürte, wie ihre Hände wieder zu zittern begannen. Ihre Knie wurden weich, und am ganzen Körper brach ihr der Schweiß aus.
    »Michael...«, krächzte sie.
    »Ich muß es dir wirklich einmal sagen, Franca, auch wenn es brutal ist: Du bist der größte Feigling, den ich je kennengelernt habe. Der schwächste Mensch. Und meine Geliebte, von der du stets in so verächtlichem Ton sprichst, hat dir gegenüber wenigstens ihren Mut voraus, ihre Tatkraft, ihre Fähigkeit, unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht zu sehen und den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Du hingegen...« Er hatte Oberwasser. Innerhalb von Sekunden hatte sich das Blatt gewendet. Francas anfängliche Überlegenheit war restlos in sich zusammengebrochen. Michaels Verwirrung hatte sich gelegt. Nun roch er ihre Schwäche, und erbarmungslos wie ein Raubvogel, der ein verletztes Kaninchen wittert, stieß er zu.
    »Michael...«, brachte sie noch einmal hervor, aber sie hörte seine Stimme schon wie aus weiter Ferne, und das Zittern ihrer Finger ging in eine Taubheit über. In diesem Moment wurde ihr sanft, aber nachdrücklich der Telefonhörer aus der Hand genommen.
    Beatrice stand neben ihr, sie lächelte und legte den Hörer auf die Gabel.
    »Ehe Sie umkippen«, sagte sie, »beenden Sie doch einfach das Gespräch. Und jetzt kommen Sie. Wir trinken einen starken Kaffee, und Sie erzählen mir, was los ist.«

    Nach dem Frühstück brach Franca zu einem Spaziergang auf. Es hatte aufgehört zu regnen, der Wind trieb die Wolken auseinander, und immer wieder blitzte die Sonne hervor. Die nassen Wiesen funkelten. Möwen schossen, hohe Schreie ausstoßend, durch die Luft. Es roch nach frischer Erde, nach jungen Blüten, nach dem Salz des Meeres.
    Sie lief über den Klippenrand hoch über dem Meer, atmete die klare Luft und fühlte sich mit jedem Schritt freier und besser. Sie hatte Beatrice erzählt, was los gewesen war, und es hatte sie auch nicht gestört, daß sich Helene zu ihnen gesetzt und ebenfalls gelauscht hatte. Im Zeitraffer hatte sie von ihrem beruflichen Versagen berichtet, von ihren Ängsten und Panikanfällen, von ihrer Tablettenabhängigkeit, von der Verachtung, die Michael ihr gegenüber an den Tag legte, und von seiner Hinwendung zu einer anderen Frau.
    Eigenartigerweise hatte sie dabei nicht geweint. Ihre Stimme hatte klar geklungen und erstaunlich sachlich. Helene hatte ein paar mitfühlende Äußerungen gemacht, in ihrer üblichen sentimentalen Art, aber Franca hatte sie dennoch als tröstlich empfunden. Beatrice hatte schweigend zugehört, und nur einmal, als das Telefon erneut klingelte, gesagt: »Lassen wir es läuten. Es ist Ihr Mann, Franca, jede Wette, und er soll jetzt ruhig einmal gegen die Wand rennen.«
    Später lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, sah Franca an und sagte:

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