Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Maja, das sich ihnen bereitwillig auf Auto-Rücksitzen, in verlassenen Bootshäusern oder in Strandhöhlen auf weichem Sand hingab. Aber die meisten von ihnen hatten nichts von der Welt gesehen, und es war höchst unbefriedigend, mit ihnen zu reden; die Klügeren würden ins Bankgeschäft gehen, die anderen entweder die Pensionen oder Hotels ihrer Eltern übernehmen, oder Fischer und Hafenarbeiter werden. Maja fand, daß Fischer einfach immer nach Fisch stanken, selbst wenn sie gerade aus der Dusche kamen. Der Geruch des Meeres hatte sich in jeder Pore ihres Körpers eingegraben, und Maja schüttelte sich noch heute bei der Erinnerung an manches hastige Liebesabenteuer, bei dem sie gemeint hatte, ein ganzer Eimer Garnelen werde über ihr ausgekippt.
Später hatte sie sich dann bevorzugt an Touristen gehalten, vorwiegend französische und deutsche Urlauber. Manche von ihnen hatten sich als ganz interessant und spendabel erwiesen, aber letzten Endes waren sie weißhäutige, oft übergewichtigte Spießer, die sich als unwiderstehliche Casanovas fühlten, weil es ihnen gelang, ein schönes, einheimisches Mädchen zu vögeln. Daß der Abend sie ein halbes Vermögen gekostet hatte, merkten sie nicht im Überschwang ihrer Gefühle. Maja fand sie irgendwann nur noch dämlich und hatte bei ihnen ebenso das erschreckende Gefühl, kostbare Lebenszeit zu vergeuden, wie bei den Fischern und Banklehrlingen.
Jetzt, im April, strömten sie mit ihren Fotoapparaten, Baseballmützen und Wanderstiefeln wieder in Scharen auf die Insel. Nachts hingen sie in den Bars herum und hielten Ausschau nach einer raschen Eroberung. Früher hatte Maja jeden Abend ausgedehnte Streifzüge unternommen, hatte sich als Beute präsentiert und selber Ausschau gehalten. Ein Vergnügen, das sie mehr und mehr zu langweilen begann.
Hoffentlich werde ich nicht einfach alt, dachte sie erschrocken.
Sie stand in der Schalterhalle der Royal Bank of Scotland in St. Peter Port und fragte sich, weshalb sich an einem gewöhnlichen Montagmorgen so lange Schlangen vor allen Schaltern bildeten. Offenbar hatte gerade heute jeder beschlossen, seine Bankgeschäfte
zu erledigen. Vor allem die Rentner. Mit endloser Umständlichkeit und Langsamkeit zahlten sie Kleckerbeträge auf ihre Sparbücher ein oder hoben ebensolche ab, und Maja gewann fast den Eindruck, daß ihre Unbeweglichkeit Absicht war, daß sie aus einem einzigen Ereignis ihres Tagesablaufs unbedingt ein großes Ereignis machen mußten.
Die Schlange, in der Maja stand, rückte einen Schritt nach vorn, und Maja konnte sich in einem Spiegel seitlich der Eingangstür sehen. Sie warf einen vorsichtigen Blick auf ihr Gesicht. Gerade hatte sie sich gefragt, ob sie vielleicht alt werde, und nun erwartete sie fast, Linien und Falten um Augen und Mund zu entdecken.
Nicht mehr lange, dachte sie, und ich bin dreißig.
Was sie sah, beruhigte sie wieder ein wenig. Ihre knabenhafte Gestalt ließ sie noch immer wie ein Teenager aussehen. Die klobigen Schuhe mit den Plateausohlen machten ihre Beine noch länger und schlanker, der kurze schwarze Pullover ließ ein Stück von ihrem flachen, braungebrannten Bauch sehen. Sie trug eine Perlenschnur eng um den Hals und ließ ihre Haare als ungebändigte Mähne über den Rücken fallen. Die Augen hatte sie mit einem Kajalstift betont, die Lippen dunkelrot bemalt. Das künstliche Licht im Raum machte sie blaß, aber sie wußte, daß sie in Wahrheit eine schöne Farbe hatte. Sie bemerkte, daß fast alle im Raum anwesenden Männer sie mehr oder weniger verstohlen musterten. Das gab ihr ein gutes Stück Selbstvertrauen zurück.
Wenn ich sage, ich bin achtzehn, glaubt mir das jeder, dachte sie zufrieden. Sie stand im Begriff, ihr gesamtes Sparbuch abzuräumen, und sie hoffte nur, daß der Betrag reichen würde, ihr eine Reise nach London zu finanzieren. Großmutter Mae schenkte ihr immer wieder Geld, sonst würde völlige Ebbe herrschen, aber Maja hatte in der letzten Zeit eine Menge für Kleidung ausgegeben, und so war sie nicht sicher, wieviel sie nun vorfinden würde.
Sie wollte zu Alan.
Irgendwann in den letzten Wochen war ihr klargeworden, daß ihr Leben so, wie es war, nicht weitergehen konnte. Sie verschimmelte auf Guernsey, begnügte sich mit drittklassigen Abenteuern und ließ das wirkliche Leben, das sich jenseits des sie umschließenden Meeres abspielte, an sich vorüberziehen. Auf einmal
hatte eine Unruhe sie befallen, die an Panik grenzte und ihr fast die Luft zum Atmen
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