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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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»Meine Güte, machen Sie sich doch nicht so verrückt! Einen Beruf aus irgendwelchen Gründen aufgeben zu müssen ist schon ganz anderen Leuten passiert. Panikattacken sind für viele Menschen an der Tagesordnung. Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, wie viele Personen ständig mit Beruhigungstabletten leben. Aber irgend jemand hat Ihnen eingeredet, Sie seien ein hoffnungsloser und absolut außergewöhnlicher Fall, und deshalb sitzen Sie da und meinen, Ihren Zustand einfach ertragen zu müssen. «
    »Ich glaube, ich habe überhaupt kein Selbstvertrauen mehr«, hatte Franca gesagt.
    Beatrice hatte gelacht. »Nein, im Moment wohl nicht. Sie sehen aus wie eine verschüchterte Maus. Aber Selbstvertrauen kann man
wieder erlernen, glauben Sie mir. Fast jeder Mensch verliert es irgendwann einmal in einer Phase seines Lebens. Das ist ganz normal. «
    Zum erstenmal seit langer Zeit fühlte Franca an diesem Morgen die ersten Anzeichen einer neu erwachenden Zuversicht. Natürlich hatte sie eine Tablette genommen, gleich nach dem Gespräch mit Michael, aber zusätzlich gab ihr die Gelassenheit, mit der Beatrice auf ihre Geschichte reagiert hatte, Mut. Auf einmal erschien ihr alles in etwas hellerem Licht, war das Leben nicht länger von Trostlosigkeit erfüllt. Vielleicht hatte es auch etwas mit der räumlichen Distanz zu Michael zu tun. Sie hatte sich besser gefühlt mit jedem Kilometer, den sie zwischen sich und ihn legte. So oft sie schon ohne ihn nach Guernsey gereist war, es war doch immer auf seine Anweisung hin geschehen, war von ihm geplant worden. Sie war nie wirklich fort gewesen. An langen, unsichtbaren, aber überaus starken Fäden hatte er sie gehalten und dirigiert. Als willige Marionette hatte sie seine Befehle ausgeführt, hatte regelmäßig das Geld von der Bank geholt, das er an der deutschen Steuer vorbei nach Guernsey geschafft und dort auf einem Konto angehäuft hatte, hatte es in ihrem Koffer verstaut und war jedesmal bei der Paßkontrolle am Flughafen nervös gewesen. Sie hatte Unmengen von Tabletten nehmen müssen, um tun zu können, was er von ihr verlangte. Eifrig war sie bemüht gewesen, seine Gunst zu erringen, war sich vorgekommen wie ein Zirkuspferd, das nach Erfüllung seiner Kunststücke auf ein belohnendes Stück Zucker wartet. Sie hatte den Zucker nie bekommen. Auch kein anerkennendes Schulterklopfen. Michael war sich ihrer so sicher gewesen, daß er sich nicht einmal seiner krummen Geschäfte wegen bemüht hatte, sie bei Laune zu halten.
    Ob er nun Angst hat, daß ich die Konten hier leerräume? fragte sie sich, und der Gedanke, daß Michael nervös über sein Geld grübelte, erheiterte sie. Er war zornig gewesen am Telefon, und er hatte sie wie immer sehr schnell wieder in eine unterlegene Position gedrängt, aber sie hatte auch seine Bestürztheit über ihr Verschwinden gespürt, seine Verblüffung, seine Ungläubigkeit. Damit hatte er nie im Leben gerechnet. Sie hatte sein Weltbild ins Wanken gebracht, und das war mehr, als sie sich selbst noch vor wenigen Tagen zugetraut hätte.

    Der Himmel riß immer schneller auf und war wenige Minuten später von Wolken leergefegt. Das Meer spiegelte sein strahlendes Blau wider, war aber noch aufgewühlt vom Wind und trug weiße Schaumkronen auf den Wellen. Die Sonne schien jetzt so warm, daß Franca ihre Jacke auszog und um die Hüften knotete. Wenn das Wetter so blieb, würde sie eine schöne Farbe im Gesicht und auf den Armen bekommen. Sie ging, in Gedanken versunken, weiter und schrak heftig zusammen, als plötzlich ein Mann vor ihr auftauchte. Es war Kevin.
    »Keine Angst«, sagte er beruhigend. Er hatte ihr Erschrecken bemerkt. »Ich bin es nur.«
    Er sah abgekämpft aus, das fiel Franca sofort auf. Sie dachte an Helenes beschwingte Stimmung an diesem Morgen. Offenbar hatte Kevin den Abend mit ihr nicht so angenehm gefunden wie sie. Oder im Laufe des Morgens war ihm irgendeine Laus über die Leber gelaufen.
    »Ach, Kevin«, sagte Franca, »ich hätte gar nicht erwartet, hier einen Menschen zu treffen.«
    »Es hörte auf zu regnen, und ich mußte unbedingt ein paar Schritte laufen«, erklärte er. Es hörte sich an wie eine Rechtfertigung. Franca fand es eigenartig, daß er hier spazierenging, über der Petit Bôt Bay, und nicht in der Umgebung seines Hauses in Torteval. Aber sie stellte keine Fragen. Wenn er dazu etwas hätte sagen wollen, hätte er es getan.
    Kevin faßte sich an den Kopf. »Ich fürchte, ich bin ein bißchen verkatert.

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