Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
ließen alles stehen und liegen und stiegen die Treppe hinauf. Franca merkte plötzlich, wie müde sie war. Der Rotwein hatte eine einschläfernde Wirkung auf sie, und das Rauschen des Regens hinter den Fenstern verstärkte sie noch. Sie hatte sich kaum im Bett ausgestreckt, da schlief sie schon ein.
Das Läuten des Telefons weckte sie. Auf jene unerklärliche Weise, wie Menschen träumen, hatte sie das Klingeln zuerst in ihren Traum integriert. Sie war daheim gewesen und hatte auf Michael gewartet, und auf einmal hatte die Haustürglocke anhaltend geschrillt.
Das muß Michael sein, dachte sie, ich muß ihm sofort öffnen.
Sie setzte sich im Bett auf, blickte verwirrt um sich und versuchte zu begreifen, wo sie sich befand. Ihr wurde klar, daß sie auf Guernsey war und nicht daheim, und daß es das Telefon war, das klingelte, und nicht die Türglocke. Sie überlegte, ob sie hinunterlaufen sollte, aber da hörte sie schon Beatrices Stimme, ohne verstehen zu können, was sie sagte. Gleich darauf waren Schritte auf der Treppe zu vernehmen, und es wurde an ihre Tür geklopft.
»Franca?« Das war Beatrice. »Franca, sind Sie wach?«
»Ja. Was ist los?«
»Ihr Mann ist am Apparat. Er möchte Sie sprechen.«
Also hatte er tatsächlich überlegt, wo sie sein könnte, und offensichtlich war ihm dabei auch Guernsey eingefallen. Eine gewisse Kombinationsgabe hatte man ihm nie absprechen können.
Ob er sich Sorgen gemacht hat, fragte sich Franca, während sie aus dem Bett sprang, oder ob es ihm einfach nur gegen den Strich geht, daß ich etwas tue, ohne vorher seine Meinung einzuholen?
Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, daß es noch immer regnete, aber viel sanfter und schwächer als in der Nacht.
»Ab morgen scheint wieder die Sonne«, sagte Beatrice, die vor der Tür wartete. Sie war vollständig angezogen, und ihre Kleidung zeigte feuchte Flecken, ihr Haar war naß. Sie mußte bereits mit den Hunden fort gewesen sein. »Und das schöne Wetter soll dann anhalten. «
»Wunderbar«, sagte Franca und gähnte. »Mein Gott, wie spät ist es? Ich muß völlig verschlafen haben!«
»Es ist noch nicht einmal acht Uhr. Machen Sie sich keine Sorgen. « Beatrice lächelte verschwörerisch. »Ihr Mann scheint ziemlich wütend zu sein. «
Auf nackten Füßen lief Franca in die Halle hinunter und nahm den Telefonhörer auf.
»Ja?« fragte sie, und es gelang ihr nicht, ein weiteres Gähnen zu unterdrücken.
»Franca? « Michaels Stimme klang in der Tat auf das höchste gereizt. »Bist du es?«
»Ja. Was gibt’s?«
Er schien nach Luft zu schnappen. »Was es gibt? Das fragt du mich?«
»Ja. Du rufst schließlich an.«
»Hör mal... ich... sag mal, bist du noch ganz richtig im Kopf? Verschwindest einfach, bist plötzlich weg, sagst kein Wort und wirst dann auch noch unverschämt am Telefon? «
Franca bemerkte das leise Zittern ihrer Hände, das sie schon immer befallen hatte, wenn Michael böse mit ihr war.
Warum habe ich eigentlich ständig Angst vor ihm gehabt, überlegte sie, und gleich darauf setzte sie in Gedanken hinzu: Diesmal muß ich mich wirklich nicht fürchten. Er ist viele hundert Kilometer weit weg von mir. Und wenn er zu unangenehm wird, lege ich einfach auf.
Das Zittern verebbte. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, aber nur, weil ihr kalt war, nicht etwa aus Unruhe.
»Es gab leider keine Möglichkeit, dich von meinen Plänen zu unterrichten«, erwiderte sie kühl. »Denn in der Nacht vor meiner Abreise bist du nicht nach Hause gekommen.«
»Aha. Und das gibt dir das Recht, einfach zu verschwinden und mir nicht einmal einen Zettel zurückzulassen?« Er war die perfekte Mischung aus Empörung und Selbstmitleid. »Kannst du dir vorstellen, welche Sorgen ich mir gemacht habe?«
»Kannst du dir vorstellen, daß ich mir möglicherweise auch Sorgen mache, wenn du eine Nacht lang nicht heimkommst?«
»Du weißt schließlich, daß...« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Offenbar war selbst ihm manchmal etwas peinlich.
»... daß du eine Geliebte hast und dich vermutlich bei ihr aufhältst«, vollendete Franca den Satz. »Findest du nicht, daß wir in einer ziemlich grotesken Situation leben? Irgend etwas sollten wir daran vielleicht ändern.«
»Indem du abhaust? Glaubst du, damit änderst du etwas?«
Sie überlegte, obwohl sie wußte, daß er keine ernsthafte Antwort auf seine Frage erwartete. »Vielleicht ja«, sagte sie schließlich, »vielleicht haben wir beide dadurch Zeit und Ruhe, um
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