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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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geschwächt haben, aber die Todesangst mobilisierte die alten Kräfte: Er bewegte sich ungeheuer schnell und zielsicher.
    »Der versucht, die nächste Bucht zu erreichen!« brüllte jemand. »Schickt sofort Leute hin, die ihn abfangen!«
    Beatrice wich noch tiefer in ihre Felsspalte zurück. Ihr war klar, daß dieses Versteck sie nicht schützen würde. Man würde sie finden. Vielleicht würde man sie sogar erschießen.
    Ihr Herz raste. Für Sekunden war sie versucht, freiwillig hinauszutreten, sich zu stellen, ehe man sie hervorzerren würde. Aber irgend etwas hielt sie zurück, und auf einmal dachte sie, daß sie nicht so rasch aufgeben sollte.
    Ich muß hier weg, ehe sie unten sind. Wenn sie erst da sind, habe ich keine Chance mehr. Ich muß vorher verschwinden.
    Erneut fielen Schüsse, aber für Julien bestand keine Gefahr mehr. Er war schon fast um die Biegung der ins Meer hinausragenden Felsen verschwunden.
    Die Soldaten kamen den Klippenpfad nur langsam herunter; sie waren mit dem Gelände nicht vertraut und konnten zudem nicht wissen, ob nicht ein Hinterhalt sie unten erwartete.
    Beatrice hingegen kannte das Gelände seit frühester Kindheit. Tausendmal war sie hiergewesen, hatte gelernt, sich wie eine Katze über die Felsen zu bewegen.
    Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft. Den westlichen Pfad konnte sie nicht hinauf, das stand fest. Von der Straße, die zur Bucht führte, hörte sie nun Motorengeräusche; dort kamen sie mit Motorradgespannen, und so war ihr auch dieser Weg versperrt. Blieb der Klippenpfad in östlicher Richtung, zu dessen Fuß sie jedoch nicht mehr gelangen konnte — sie hätte die Bucht verlassen und die
Straße hinauflaufen müssen, aber dort wimmelte es nun schon von Deutschen. Sie hatte keine Wahl, als direkt an den Klippen hinaufzuklettern. Das Schlimme war, daß sie zuvor den Strand in seiner ganzen Breite überqueren mußte, um den Aufstieg beginnen zu können. Sie mußte zusehen, daß sie sich in der oberen Strandhälfte dicht am dort liegenden Geröll entlangbewegte, so flach und klein wie möglich, den Schutz eines jeden Steines ausnutzend.
    Sie wollte schon davonhuschen, denn nun kam es auf jede Sekunde an, da bemerkte sie, daß Juliens Kleidungsstücke noch im Sand lagen. Falls man sie als das Eigentum Dr. Wyatts identifizierte, würde dies den Arzt und seine Familie ans Messer liefern.
    Sie glitt aus ihrer Felsspalte heraus, immer noch geschützt vor dem steinernen Dach über sich, raffte Hose, Hemd, Strümpfe und Schuhe zusammen und zog sich mit angehaltenem Atem wieder zurück. Dann kroch sie, flach wie ein Eidechse, entlang den Steinen über den Strand, während die Deutschen noch immer aus den Klippen schossen, auf der Straße die Bremsen quietschten und Soldaten auf den Strand zuliefen.
     
    Am meisten störten die Schuhe. Die übrigen Kleidungsstücke hatte sie irgendwie um ihren Körper gebunden, aber die Schuhe hielt sie in der linken Hand, was bedeutete, daß ihr nur die rechte zur Verfügung stand. Sie benutzte den schwierigsten, steilsten, haltlosesten Weg, den es aus der Bucht heraus gab. Es war schierer Wahnsinn, hier hinaufzuklettern, noch dazu im Dunkeln und mit nur einer freien Hand und zudem in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit. Beatrice blieb nicht die Zeit, ihre Schritte zu überprüfen, mit dem Fuß zu tasten, ob der Stein halten würde, auf den sie trat. Sie mußte sich auf ihre Erinnerung verlassen — dieser Weg hatte früher die beliebte Mutprobe zwischen ihr und den Jungen aus dem Dorf dargestellt, allerdings bei Tageslicht und ohne Gepäck —, und sie mußte auf ihr Glück hoffen.
    Zumindest funktionierten in diesem Moment der Gefahr ihr Körper und ihre Nerven. Sie bewegte sich ruhig und sicher, trotz der Schnelligkeit. Weder wurde ihr schwindlig noch stieg Panik in ihr auf. Das würde vermutlich später geschehen.
    Wenn alles vorbei ist, dachte sie einmal, werde ich schreien.

    Die Deutschen veranstalteten einen Heidenlärm unten in der Bucht. Schreie und Schüsse klangen durch die Nacht. Schließlich kam noch Hundegebell dazu; irgend jemand mußte Spürhunde herbeigeschafft haben. Beatrice wußte, daß ihre Zeit damit noch knapper wurde; die Hunde würden in Windeseile den Platz in der Felsspalte entdecken, in der sie sich versteckt gehalten hatte, und von dort aus ihre Spur bis hinüber zu den östlichen Klippen und um die Biegung herum verfolgen. Dann würde klar sein, welchen Weg sie genommen hatte. Die Feinde mußten sie oben nur noch

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