Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
hatte sie zweimal ausgetrickst: im Krieg, und nun schon wieder. Aber endlich hatte sie alle Informationen beisammen, die ihr bis dahin gefehlt hatten.«
»Haben Sie Julien wiedergesehen?«
»Nie mehr. Nicht einmal nach der Szene mit Suzanne, zum Abschied gewissermaßen. Wir konnten einander nicht Adieu sagen. Als ich am nächsten Tag zum Hotel kam, waren beide abgereist. Ich vermute, daß sie ihm ein Ultimatum gestellt hat: Entweder er kommt sofort mit ihr, ohne mich noch einmal zu sehen, oder sie wirft ihm ihre Ehe vor die Füße. Julien wußte, daß es kurz vor zwölf war. Und er hatte gehabt, was er wollte. Also ging er mit.«
»Und Sie...«
»Und ich war schwanger. Wie sich wenig später herausstellte. Ich ging nach Cambridge zurück, ohne das Haus verkauft zu haben, und irgendwann wurde es auch für Frederic ersichtlich, daß ein Kind unterwegs war. Natürlich dachte er, es sei seines. Er war außer sich vor Freude.«
»Und Sie?«
»Ich hatte eine schlechte Phase«, sagte Beatrice, »ich fühlte mich elend und unglücklich. Die Schwangerschaft machte mir sehr zu schaffen, mir war ständig übel, und ich fühlte mich depressiv. Ich zerrieb mich in Sehnsucht nach Julien, hatte zugleich ein entsetzlich schlechtes Gewissen gegenüber Frederic, der sich rührend um mich bemühte. Er bemerkte natürlich meine Gereiztheit, mein häufiges Weinen. Aber er schob es auf die Schwangerschaft und kam nicht auf die Idee, daß etwas anderes dahinterstecken könnte.«
»Es wäre nie aufgeflogen«, sagte Franca leise.
»Nein«, sagte Beatrice, »das wäre es nicht. Alan wäre als unser gemeinsamer Sohn geboren worden und aufgewachsen. Ich hätte
mich in dem engen Leben von Cambridge erneut eingewöhnt und wahrscheinlich meinen Frieden wiedergefunden. Ich hätte es gut gehabt. Frederic und ich wären Hand in Hand alt geworden.«
»Aber dann kam Helene.«
»Ja. Buchstäblich. Sie reiste an. Anfang Januar 1957. Sie stand so überraschend vor der Tür wie seinerzeit in London, als ich Frederic zum erstenmal mitnehmen wollte in meine Wohnung. Sie hatte zwei Koffer bei sich und war tief gekränkt, weil wir sie weder zu Weihnachten noch zu Silvester eingeladen hatten. Ich war im siebten Monat, hatte einen ziemlich dicken Bauch, geschwollene Fußgelenke und watschelte wie eine Ente. Insgesamt war ich jedoch gerade dabei, mich in mir und in dem vertrauten Leben wieder zurechtzufinden. Aber man hat manchmal eigenartige Ahnungen, nicht wahr? Ich sah Helene da vor der Tür stehen und wußte, daß Schwierigkeiten auf mich zukamen.«
»Sie erzählte Frederic, was sie wußte.«
»Ich weiß nicht, ob sie schon in dieser Absicht nach Cambridge gekommen war oder ob sie einen spontanen Entschluß faßte - aber eines Tages, während ich einen Spaziergang machte, schenkte sie ihm reinen Wein ein, erzählte alles aus jenem Sommer, berichtete von Julien und mir und Suzanne und äußerte die Vermutung, das Kind, das im März zur Welt kommen sollte, sei von Julien und nicht von ihm, Frederic. Ich weiß noch, es war ein naßkalter Januartag, häßlich und trüb, und ich kehrte mit einbrechender Dunkelheit ziemlich verfroren nach Hause zurück. Ich freute mich auf ein warmes Bad, auf einen heißen Tee und einen Abend vor dem Kaminfeuer. Helene war schon zu Bett gegangen, was mich verwunderte, und Frederic verließ nicht sein Arbeitszimmer, um mich zu begrüßen, wie er es sonst immer tat. Ich ging schließlich zu ihm. Das Zimmer stank nach Whisky, was absolut ungewöhnlich war. Noch nie hatte Frederic zuviel getrunken. Er hatte verweinte Augen, war totenblaß, und ich dachte zunächst an einen Trauerfall. Irgend jemand mußte gestorben sein, jemand, der ihm sehr nahe stand. Einer seiner Studenten? Mir rasten ein paar Möglichkeiten durch den Kopf, während ich in der Tür stand und ihn auf mich zukommen sah, und obwohl ich nicht wußte, worum es wirklich ging, fühlte ich, wie etwas Dunkles wuchs zwischen uns,
zwischen mir und Frederic, daß dort eine Gefahr entstand, die ich noch nicht überblickte, die mir aber Angst einflößte.
›Frederic‹, flüsterte ich, ›was ist geschehen?‹
Er mußte eine Menge getrunken haben, aber er schwankte nicht. Wahrscheinlich hatte ihn der Schock so hart getroffen, daß ihn der Alkohol nicht wirklich betäuben konnte. Zwar sprach er stockend, aber er lallte nicht. Er war betrunken, und er war es auch nicht. Ich hatte noch nie einen Menschen in solch einem Zustand erlebt.
›Sag, daß es nicht wahr
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