Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
alles, was dann geschah, völlig unausweichlich.«
»Warum wollte sie Guernsey sehen?«
»Ich hatte ihr viel davon erzählt.«
»Hattest du ihr von mir erzählt?«
»Nein. Hast du deinem Mann von mir erzählt?«
»Nein.«
Julien lächelte. »Wie ist er?«
»Wer? Mein Mann?«
»Ja. Wie ist er?«
»Er ist...« Sie zögerte. »Er gibt mir Halt und Sicherheit. Sehr viel Wärme und Ruhe.«
Julien hatte nicht aufgehört zu lächeln. »Deine Augen haben nicht mehr diesen fiebrigen Glanz.«
»Ja. Das ist so, wenn man Wärme und Ruhe erlebt.«
Ihn schien das nicht zu überzeugen, aber er konnte nichts mehr sagen, denn in diesem Moment kehrte Suzanne an den Tisch
zurück. Sie hatte sich die Lippen nachgezogen und die Haare gebürstet und sah blühend schön und fast überirdisch perfekt aus.
»Hallo, ihr beiden«, sagte sie, »habt ihr ein paar Erinnerungen ausgetauscht?«
»Wir haben ein wenig die alten Zeiten verklärt«, entgegnete Julien. »Du siehst sehr schön aus, Cherie. Möchtest du einen Kaffee? «
»Ich nehme lieber ein Glas Champagner zum Abschluß«, sagte Suzanne, »schließlich ist das heute ein besonderer Abend. Unser letzter Abend auf Guernsey.« Sie neigte sich dichter zu Beatrice herüber. »Ich muß morgen nach Venedig. Modeaufnahmen für ein Magazin. «
»Wir hatten ausgemacht, daß ich ein paar Tage länger bleibe«, erinnerte Julien, »und wir uns Ende der Woche in Paris treffen.«
»Ich habe den Plan geändert«, entgegnete Suzanne liebenswürdig. »Du begleitest mich nach Venedig. Ich kann mich dann viel besser auf meine Arbeit konzentrieren.«
»Ich würde lieber hierbleiben«, erwiderte Julien.
»Du kommst mit«, sagte Suzanne.
Wahrscheinlich hat sie ihm eine ziemlich heftige Szene gemacht, dachte Beatrice, sie ist ganz sicher keine Frau, die es einfach hinnimmt, wenn ihre Pläne durchkreuzt werden.
Die Sonne schien ungewöhnlich heiß für Juni, und am Horizont lagen Schleier über dem Wasser. Die Felsen in der Petit Bôt Bay waren warm und glatt. Über den Büschen und Hecken entlang des Klippenpfades summten die Bienen. Eine schläfrige Stimmung schien über der ganzen Insel zu liegen. Irgendwo mochten Leben und Treiben herrschen, aber nichts davon drang bis hinunter in die Bucht. Zwei ältere Damen hatten ihre Schuhe ausgezogen und ihre Hosen hochgekrempelt und wateten am Rand der Brandung entlang. Der weiße Schaum des Meeres floß über ihre Füße und füllte die Spuren, die sie im Sand hinterließen. Sonst war kein Mensch weit und breit zu sehen.
»Es ist einfach zu heiß«, murmelte Julien, »zu heiß, um irgend etwas Vernünftiges zu tun.« Er lag auf einem breiten Felsen, hielt den Kopf an einen anderen Felsen gelehnt und blinzelte aus halb
geschlossenen Augen in die Sonne. Die Bräune in seinem Gesicht hatte sich noch vertieft. Er sah phantastisch gesund und jung aus.
»Wir sollten uns ein wenig am Wasser abkühlen«, meinte Beatrice, »wie die beiden älteren Damen dort drüben. Das ist äußerst gesund.«
Julien brummte etwas. Er war von einer geradezu aufreizenden Entspanntheit, wenn man bedachte - und Beatrice bedachte es -, daß er vermutlich jede Menge Ärger mit Suzanne hatte. Sie war notgedrungen abgereist, da sie für den Fototermin in Venedig fest gebucht war, und Julien war auf Guernsey zurückgeblieben, ohne daß sie irgend etwas dagegen hatte tun können. Beatrice nahm an, daß sie häufig anrief und ihm Vorwürfe machte, aber Julien ließ darüber nichts verlauten. Falls Suzanne drüben in Italien Amok lief, so schien ihn das ziemlich kalt zu lassen. Er war auf Guernsey und genoß das Leben; mit möglichen Problemen würde er sich später beschäftigen. Und mit einer entwaffnenden Selbstverständlichkeit hatte er sich sofort mit Beatrice verabredet, schien völlig sicher davon auszugehen, daß sie die Zeit gemeinsam verbrachten. Beatrice fand nicht einmal die Gelegenheit, dieses Ansinnen in Frage zu stellen. Sie wurde nicht gefragt, und überraschenderweise hatte sie kein Bedürfnis, gefragt zu werden. Sie hatte das starke Gefühl, daß hohe Wellen auf sie zurollten und über ihr zusammenschlagen würden, und sie fand nicht den Willen, sich dagegen zu wehren.
»Ich glaube nicht, daß ich jetzt zwischen den alten Tanten am Wasser herumspielen möchte«, murmelte Julien. »Ich glaube, mir wäre es am liebsten, die beiden würden verschwinden.«
»Warum? Sie stören doch niemanden.«
»Nein?« Er öffnete die Augen und sah sie an. »Du findest es
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