Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
»und ich habe überhaupt nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist.«
Beatrice zuckte zusammen. Sie war tief versunken gewesen in ihre Erinnerungen. »Entschuldigen Sie, Franca. Ich rede ohne Pause und halte Sie vom Schlafen ab. Ich hoffe, Sie haben sich nicht gelangweilt.«
»Überhaupt nicht! Im Gegenteil. Wie ging es weiter?«
Beatrice seufzte. »Nun - es blieb nicht bei diesem... Erlebnis in der Bucht. Natürlich nicht. Wir wollten beide mehr. Wir sahen uns jeden Tag, wir liebten uns jeden Tag. Wir vergaßen alles und jeden. Helene merkte, daß etwas im Gange war, und Frederic merkte es auch. Er rief nach wie vor täglich an, und ich erzählte ihm, es gehe mit dem Verkauf des Hauses nicht voran, und ich würde länger bleiben müssen als geplant. Er sagte, ich klänge komisch und verändert, und irgend etwas könne nicht stimmen, und ich stritt das natürlich ab, erklärte immer wieder, es sei alles in Ordnung. Aber nichts war in Ordnung, überhaupt nichts. Ich hatte eine Affäre mit dem Mann, der mich bereits einmal hatte sitzen lassen, und ich wußte, er würde es wieder tun, aber ich konnte ihm nicht widerstehen.« Beatrice bewegte unruhig ihre Hände über die Tischplatte. »Alles, worauf ich einmal so stolz gewesen war, versagte: meine Willenskraft, mein Stolz, meine Disziplin. Ich war Wachs in Juliens Händen. Und ich verspürte nicht einmal den Wunsch, es nicht zu sein. Ich lebte! Mit jeder Faser meines Körpers und meiner Seele lebte ich. Freiwillig hätte ich keinen Augenblick davon hergegeben.«
»Haben Sie über die Zukunft gesprochen? Über eine möglicherweise gemeinsame Zukunft, meine ich.«
Beatrice schüttelte den Kopf. »Irgendwie war klar, daß das nie in Erwägung stand. Julien sagte es nicht, aber es war einfach so. Wir hatten diese paar Sommerwochen. Danach würde jeder von uns in sein eigenes Leben zurückkehren, und wahrscheinlich würden wir einander nie wiedersehen.«
»Damit konnten Sie leben?«
»Damit mußte ich leben, und deshalb konnte ich es auch. Ich denke, jeder von uns holte sich in dieser Zeit etwas, das er brauchte. Wir dachten nicht voraus.«
»Was holten Sie sich?«
»Ich hatte wenig Jugend gehabt«, sagte Beatrice, »und ich war nach dem Krieg durch ein Tränental gegangen. Danach hatte ich mich in ein Leben zurückgezogen, das nicht meinem Alter entsprach. Ich fand ein Stück Leichtigkeit wieder mit Julien. Diese Leichtigkeit hat mich dann nie mehr ganz verlassen. Bis heute nicht, und dafür bin ich sowohl Julien als auch dem Schicksal sehr dankbar.«
»Und was wollte Julien?«
Beatrice zuckte mit den Schultern. »Das sollte man ohne jede Sentimentalität sehen. Julien wollte einfach sein altes Revier noch einmal in Besitz nehmen. Er wollte wissen, ob er mich noch immer haben konnte. Diese Südfranzosen sind so.«
»Merkte Suzanne etwas?«
»Selbstverständlich. Im nachhinein war mir klar, daß sie in der ersten Sekunde etwas bemerkt hatte, schon als wir uns oben auf dem Klippenpfad trafen und Julien und ich einander erkannten. Das gemeinsame Abendessen diente dem Abtasten der Lage. Nicht umsonst wollte sie dann Julien sofort mitnehmen nach Venedig. Und endgültig wurde ihr dann wohl alles klar, als er am Ende jener ersten Woche auch nicht wie vereinbart nach Paris kam, um sie zu treffen, sondern ihr am Telefon sagte, er wolle länger auf Guernsey bleiben. Sie hatte schon wieder den nächsten Job und konnte nicht herkommen und dazwischengehen. Es muß sie ziemlich umgetrieben haben zu wissen, daß wir uns hier auf der Insel vergnügten, während sie irgendwo ihre Modefotos machte und außer Gefecht gesetzt war.«
»Eine äußerst unschöne Situation für sie.«
»Natürlich. Und so hatte sich auch eine Menge Wut in ihr gesammelt, als sie endlich Ende Juli angerauscht kam und eine Szene hinlegte, die filmreif war. Ersparen Sie mir die Einzelheiten, es fielen Worte, die man kaum wiedergeben kann. Suzanne war eine temperamentvolle Frau. Und sie wurde zu einem wilden Tier, als sie ihren Besitz bedroht sah.«
»Helene«, sagte Franca, »bekam alles mit.«
Beatrice nickte. »Der Auftritt fand in unserem Haus statt. Helene stand die ganze Zeit daneben, und Mae übrigens auch, sie war gerade zu Besuch. Am Schluß hatten beide begriffen, daß ich sechs Wochen lang ein intimes Verhältnis mit einem französischen Journalisten unterhalten hatte, der zudem noch mein Liebhaber aus Kriegstagen war. Die arme Helene fiel von einem Schock in den nächsten. Ich
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