Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
heute besetzt hält. Sie hat ihr Besatzerverhalten nie aufgegeben. Als Winston Churchill die Befreiung der Kanalinseln verkündete, hat er Helene Feldmann vergessen.«
»Sie bauten die Rosenzucht Ihrer Eltern wieder auf?« fragte Franca vorsichtig.
Irgendwo im Haus schlug eine Uhr die halbe Stunde.
»Halb zwei«, sagte Beatrice, »wir sollten allmählich zu Bett gehen. Kommen Sie«, sie griff nach der Rotweinflasche, »wir trinken jede noch einen ordentlichen Schluck. Man fühlt sich einfach besser danach.« Sie schenkte das rubinrote Getränk in die Gläser.
»Ja, ich züchtete Rosen«, sagte sie übergangslos in Beantwortung der Frage, die Franca gestellt hatte, »irgend etwas mußte ich machen, und es lag nahe, auf dem aufzubauen, was meine Eltern geschaffen hatten.« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Rotwein. Ihre Augen verrieten, daß sie über die Jahre zurückblickte und den Weg überflog, den sie gegangen war.
»Ich stellte einen Gärtner hier von der Insel ein; er verstand eine Menge von Rosen und brachte mir bei, was ich nicht wußte. Allerdings muß ich sagen, daß er wohl stets die Hauptarbeit tat, und wenn es ein paar Erfolge in der Züchtung gab, die wir verbuchen konnten, so lag das an ihm. Ich wurde nicht reich dabei, aber ich konnte ihn bezahlen, und ich konnte mich ernähren. Zudem Geld einzahlen für die bescheidene Rente, die mich heute über Wasser hält. Anstelle von Cambridge hatte ich also diese verdammten Blumen. « Sie lächelte bitter.
»Ich zog mein Kind groß und sorgte für Helene, die mit den Jahren immer lebensuntüchtiger wurde. Es gab Zeiten, da haßte ich jeden einzelnen Moment meines Lebens. Aber irgendwie hielt ich
durch, und ich denke, es hat heute keinen Sinn mehr zu jammern. Insgesamt war alles gar nicht so schlecht.«
Das war eine Lüge, wie Franca begriff, aber sie tat der alten Frau den Gefallen, ihr nicht zu widersprechen.
8
Sie hatte nicht gedacht, daß sie sich so schrecklich langweilen würde. Nicht in London. Von St. Peter Port kannte sie die grauen, ereignislosen Tage, an denen sich der Vormittag zäh und endlos dahinschleppte, um dann in einen ebenso langatmigen Nachmittag überzugehen. Mit dem Einfallen der Abenddämmerung regte sich wieder das Leben, aber jeden Tag stellte sich von neuem das fast unüberwindliche Problem, wie man die Zeit bis dahin hinter sich bringen sollte.
Sie konnte schlafen bis in die späten Vormittagsstunden, aber spätestens um elf Uhr war sie hellwach und hielt es im Bett nicht länger aus. Dann schlenderte sie, nur mit Slip und T-Shirt bekleidet, durch die Wohnung, betrachtete die Bilder an den Wänden, obwohl sie von jedem einzelnen genau wußte, wie es aussah, nahm sich ein paar Bücher aus den Regalen und blätterte gelangweilt darin herum und blieb schließlich an bunten Modemagazinen hängen, die sie zumeist am Vortag gekauft hatte. Die Zeitschriften, die er in der Wohnung herumliegen hatte, interessierten sie nicht; es handelte sich fast ausschließlich um juristische Fachpresse.
Das Frühstück, das sie beim Lesen - oder besser: beim Betrachten der Fotos - zu sich nahm, bestand fast immer aus einem Glas Orangensaft, einer Scheibe Brot mit etwas Cheddar und vielen Tassen starken, schwarzen Kaffees. Dann rauchte sie eine Zigarette, starrte aus dem Fenster, lauschte dem Leben und Treiben auf den Straßen und fragte sich, ob so das große Abenteuer aussah, auf das sie sich eingelassen hatte.
Irgendwann war sie fertig im Bad, war angezogen und startbereit - ohne zu wissen, wohin sie eigentlich starten wollte. Sie ließ sich durch die Straßen und Geschäfte treiben, starrte sehnsüchtig
all die wundervollen Dinge an, die sie so gerne besessen hätte, verbrachte Stunden bei Harrod’s, probierte Dutzende von Kleidern an und hängte sie dann wieder weg, weil ihr das Geld fehlte, sie zu kaufen.
Das Wetter war sonnig und mild, und meist trank sie gegen zwei Uhr in einem Straßencafe einen Kaffee und aß ein Doughnut dazu, und um auf lustigere Gedanken zu kommen, bestellte sie hinterher oft meist ein Glas Sekt - Champagner hätte ihr besser gefallen, aber ihr Geld neigte sich bedrohlich dem Ende zu, und sie konnte sich kaum einen Luxus erlauben.
Alan könnte mir ruhig ab und zu etwas zustecken, dachte sie manchmal ärgerlich.
Sie war jetzt seit zehn Tagen bei Alan in London, und nichts schien sich anzubahnen, was geeignet gewesen wäre, ihr Leben nachhaltig zu verändern. Alan schien nicht auf die Idee zu kommen, ihr das
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