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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Es ging um den gräßlich vorgestrigen Käse, der sie nicht im allermindesten interessierte.
    Das Altenheim lag außerhalb Londons in einem idyllischen Dorf unweit von Henley. Ein großes, verschnörkelt gebautes Haus aus viktorianischer Zeit mit einer breiten Veranda, die um alle vier Seiten herumführte, und einem alten, etwas verwilderten Garten voller Obstbäume, unter denen weißlackierte Bänke und Stühle standen. Die Alten saßen allerdings nicht dort, in der lauschigen Tiefe zwischen hohen Gräsern und Brombeerhecken, sondern hatten sich auf der Veranda aufgereiht wie eine Kette hungriger Krähen, die auf irgend etwas Eßbares lauern, das zufällig des Weges kommt. Als Maja sich näherte, verstummten die Gespräche, und alle Köpfe wandten sich ihr zu. Maja hätte ihnen am liebsten die Zunge herausgestreckt.
    Sie haßte alte Menschen. Sie haßte graue Haare und Wackelköpfe
und Sabbermünder. Sie haßte den Anblick des Verfalls, der sie daran gemahnte, wie nahe sie alle jener Grenze standen, hinter der es nur noch den Weg in Richtung Tod gab.
    Leben, dachte sie, als sie an den Krähen vorüberging und versuchte, den Geruch nach Alter und Krankheit nicht einzuatmen, ich muß leben, ich muß viel mehr und viel stärker leben, und ich darf nicht soviel Zeit vertrödeln.
    Der Gedanke, daß sie mit Alan womöglich eine reine Zeitverschwendung betrieb, beschäftigte sie schon seit ein paar Tagen, aber nun, da sie diesen Geruch atmete, fiel er geradezu über sie her, und sie wußte, daß er sie von nun an keine Sekunde lang mehr aus seinen Klauen lassen würde.
    Edith Wyatt saß als einzige nicht auf der Veranda, sondern ganz hinten im Garten in einem weißen Korbsessel. Auf einem Tischchen vor ihr standen eine Kanne mit Tee, zwei Gedecke und eine Schale mit Gebäck. Sie war außer sich vor Freude, ihre Urenkelin zu sehen.
    »Nimm dir Tee«, sagte sie, »nimm dir etwas von dem Gebäck! Du bist zu dünn, Kind. Laß dich anschauen! Man sollte nicht meinen, daß du ein Sproß unserer Familie bist. So hübsch wie du ist keine von uns je gewesen.«
    Zum Glück riecht sie nicht so wie die anderen, dachte Maja, sonst könnte ich sie auch nicht ertragen.
    Sie lehnte sowohl Tee als auch Gebäck ab, das Geschirr, von dem sonst die Alten aßen, ekelte sie zu sehr an. Wer weiß, wie sorgfältig sie hier spülen, überlegte sie und spürte schon wieder eine Gänsehaut.
    Edith Wyatt wollte natürlich alles über Guernsey wissen, den neuesten Tratsch und Klatsch, aber die meisten Menschen, die sie gekannt hatte, lebten nicht mehr, und die Namen, die Maja nannte, sagten ihr nichts.
    »Ich habe den Bezug zu Guernsey verloren«, meinte sie traurig nach einer Weile. »Ach, ich wünschte, wir wären nie von dort weggegangen. Die Insel war meine Welt.«
    Als treue Ehefrau vom alten Schlag hatte sie sich widerspruchslos gefügt, als ihr Mann Mitte der fünfziger Jahre nach London übersiedelt war, weil ihm dort die Praxis eines verstorbenen Studienfreundes
angeboten worden war - eine großartige Chance, die kein vernünftiger Mensch ausgeschlagen hätte. Aber Edith Wyatt wurde nie heimisch in England, und als ihr Mann starb, hatte sie lange gezaudert, ob sie nicht zu Kindern und Enkeln nach Guernsey zurückkehren sollte. Doch ihr Mann hatte schon zu Lebzeiten die Plätze im Altenheim für sie beide gekauft, und irgendwie wäre es Edith als ein Verrat an ihm erschienen, seinen Plan zu umgehen und den Rest ihres Lebens nach ihren eigenen Wünschen zu gestalten. Sie war erzogen worden, ihrem Mann zu folgen, wohin er sie führte, und nach ihrer Vorstellung endete dieses Prinzip auch nicht mit dem Tod des Partners.
    »Ach, ich möchte so gerne, so gerne, St. Peter Port noch einmal sehen«, seufzte sie, »noch zwei Wochen, dann ist ›Liberation Day‹. Die Insel wird ersticken in Blumen. Nimmst du am Festzug teil, Darling?«
    »Ich werde dann immer noch in London sein«, erinnerte Maja. Sie hatte heftigen Durst, aber sie brachte es nicht über sich, den Tee anzurühren. »So rasch gehe ich nicht nach Guernsey zurück!«
    Edith musterte sie aus klugen Augen. »Mae erzählte, du lebst in London mit Alan Shaye zusammen, Beatrice Shayes Sohn.«
    »Ja. Er wollte seit Jahren, daß ich bei ihm einziehe, und nun habe ich es eben getan.«
    »Liebst du ihn? Willst du bei ihm bleiben?«
    Maja rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. »Wir müssen uns noch erst aneinander gewöhnen.«
    »Aber ihr seid seit Jahren sehr vertraut miteinander.

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