Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
verkündet, sie werde den ganzen Tag fort sein.
»Edith ist gar nicht gut beieinander. Ich möchte einfach heute bei ihr sein. Bitte, versteh mich!«
Nun, bei seinem einsamen Frühstück an diesem I. Mai, ging ihm eine Menge beunruhigender Gedanken durch den Kopf. Waren es vielleicht nur Hirngespinste? Maja hatte ihm gesagt, daß sie sich verändern wolle. Sie hatte ihm gezeigt, daß es ihr ernst war damit.
Hatte sie das?
Am ersten Abend auf jeden Fall. Er löffelte Zucker in seinen Tee, rührte ihn nachdenklich um. Er sah sie vor sich, adrett gekleidet, zurückhaltend, dezent geschminkt - völlig anders als das schillernde Geschöpf, als das sie sich sonst immer präsentierte. Aber das war äußerlich, das war die Maske. Das war einfach.
Sie ist jeden Abend zu Hause gewesen, rief er sich ins Gedächtnis, immer wenn ich aus dem Büro kam, war sie hier. Lag auf dem Sofa, las, sah fern, freute sich, mich zu sehen.
Was nur bereitete ihm solche Kopfschmerzen? Er war am Samstag
durch die Stadt geschlichen, hatte eingekauft und sich ebenso verzweifelt wie vergeblich gegen das immer heftiger aufsteigende Gefühl der Bedrohung gewehrt. Zu wehren versucht. Es hatte irgendwann vollständig Besitz von ihm ergriffen, und seitdem war er es nicht mehr losgeworden.
Er hatte bei Harrod’s gestanden und gedacht: Das gibt es doch nicht! Ich sage zu ihr: Wir gehen einkaufen. Einkaufen ist das Zauberwort schlechthin für sie. Sie weiß genau, daß eine Menge herausspringen würde für sie. Normalerweise hätte sie alles stehenund liegenlassen und mich genau in die Geschäfte geschleppt, die sie während der letzten Woche ausgekundschaftet hat. Statt dessen besucht sie Edith Wyatt im Altenheim!
Den Sonntag hatte er lesend auf einer Bank im St. James’s Park verbracht und sich sehr einsam gefühlt, und am frühen Abend war er heimgegangen, hatte gehofft, Maja sei vielleicht schon da und sie könnten irgendwo zusammen etwas trinken und später zum Essen gehen. Aber die Wohnung lag leer und still. Er mischte sich einen Gin Tonic, wußte aber bereits, er würde zu härteren Sachen greifen, wenn Maja nicht bald kam. Er hatte sich mit dem Trinken sehr zurückgehalten, seitdem sie da war. Er brauchte nichts am Abend, wenn sie ihn mit einem zärtlichen Lächeln empfing, wenn sie die Arme um ihn schlang, wenn sie ihn küßte und er ihren Geruch atmete; jenen Geruch, den er als so süß empfand, als warm und vertraut, als begehrenswert und als nur ihm gehörend. Irgend etwas, sein Herz, seine Seele oder was auch immer, zog sich in ihm zusammen, wenn er nur daran dachte. Lieber Gott, überlegte er hilflos, könnte ich nur endlich sicher sein!
Den ganzen Samstag über und den ganzen Sonntag hatte es in seinen Fingern gezuckt, zum Telefonhörer zu greifen und bei Edith anzurufen. Sich zu erkundigen, ob Maja noch bei ihr oder bereits aufgebrochen sei. In Wahrheit aber, um herauszufinden, ob sie überhaupt dagewesen war.
Er war sich wie ein mieser kleiner Schnüffler vorgekommen, und jedesmal hatte er im letzten Moment die Hand weggezogen, hatte den Anruf nicht getätigt. Weil er nicht spionieren wollte. Vielleicht aber auch, weil er es gar nicht wissen wollte.
Um zehn Uhr am gestrigen Abend hatte er den ersten Whisky
getrunken, kurz darauf den zweiten, dann den dritten. Ihm war übel gewesen, er hatte gefroren. Wo zum Teufel blieb sie so lange? Um Mitternacht hatte ihn die Verzweiflung gepackt. Selbst am Samstag war sie früher daheim gewesen als nun am Sonntag, aber natürlich, bei ihrer Lebensweise konnte es ihr gleich sein, ob ein Feiertag oder ein normaler Werktag sie am nächsten Morgen erwartete, sie schlief ohnehin bis in die Puppen. Aber konnte man sich so lange in einem Altenheim aufhalten? Es schien ihm kaum vorstellbar. Er war um halb eins zu Bett gegangen und hatte trotz des vielen Whiskys keinen Schlaf gefunden, hatte sich herumgewälzt und auf das Ticken der Uhr gelauscht. Irgendwann hatte er die Haustür gehört, hatte auf die Leuchtanzeige des Radioweckers neben seinem Bett gestarrt. Halb drei. Dafür würde es keine überzeugende Erklärung geben, bei aller Bereitwilligkeit von seiner Seite, ihr abzunehmen, was immer sie sagen würde.
Nicht jetzt, hatte er gedacht, nur nicht jetzt, ich muß überlegen, ich muß mir Zeit lassen, ich darf nichts überstürzen.
Er hatte sich schlafend gestellt und dabei gemeint, das Bett müsse beben unter seinem lauten Herzschlag. Maja machte sich eine Weile im Bad zu schaffen und kam
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