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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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das Hämmern nicht verstummen wollte. Es dröhnte durch das ganze Haus, und erst nach einigen Sekunden wurde es Franca klar, daß jemand an der Tür war und Einlaß begehrte.
    Sie erhob sich und unterdrückte dabei einen Schmerzenslaut: Von der zusammengekauerten Haltung in dem Sessel taten ihr alle Glieder weh, und ihr Hals war steif geworden, sie konnte ihn kaum drehen. Das Buch, das sie gelesen hatte, war auf den Boden gefallen, lag aufgeschlagen auf dem Teppich. Trotz des warmen Tages fröstelte sie, kein Wunder, daß sie sich elend fühlte.
    Als sie in die Halle trat, kam gerade Beatrice die Treppe herunter. Sie sah verschlafen und zerzaust aus.
    »Was ist los?« rief sie. »Warum weckt mich niemand? Es ist fast zwölf Uhr!«
    »Ich bin auch noch einmal eingeschlafen«, gestand Franca, »Wir haben wohl alle etwas zuviel Bowle erwischt.«
    »Das befürchte ich auch.« Beatrice zog den Gürtel ihres Bademantels fester um ihre Taille und blickte gereizt zur Tür. »Lieber
Himmel! Da hämmert ja einer wie nicht ganz gescheit!« Sie versuchte, ihre Haare vor dem Spiegel ein wenig zu ordnen. »Können Sie bitte aufmachen, Franca?«
    Franca ging zur Tür und öffnete. Vor ihr stand Michael.
    »Mein Gott«, rief er wütend, »ich dachte schon, es ist niemand da!«
    »Michael!« sagte Franca und blickte ihn entgeistert an.
    Er hatte einen kleinen Koffer neben sich stehen, den er nun hochnahm. »Darf ich hineinkommen? Ich stehe hier schon eine Weile.«
    Sie trat einen Schritt zurück. »Ja. Natürlich.«
    Michael kam herein, und es war, als werde mit einem Schlag das helle Licht des Tages ausgeknipst. Franca nahm das Frösteln ihres Körpers verstärkt wahr und spürte wieder jenen engen Ring um die Kehle, der sie in den letzten Jahren begleitet hatte. Das Atmen fiel eine Spur schwerer, auch die Brust schien sich weniger leicht zu heben und zu senken. Eine diffuse Angst breitete sich in ihr aus. Eine Angst, die nicht zu ihrem Alter paßte, nicht zu einer erwachsenen Frau. Eine Angst, die sie an ein kleines Mädchen erinnerte und von der sie wußte, daß sie sie eigentlich nicht mehr verspüren sollte. Aber sie schwappte so jäh über sie hin, daß sie keine Chance hatte, sich zu wehren.
    »Guten Tag«, sagte Michael, als er Beatrice entdeckte. »Ich bin Michael Palmer.«
    »Beatrice Shaye«, sagte Beatrice freundlich. Etwas irritiert blickte sie zu Franca hin. »Sie haben gar nicht gesagt, daß Sie Ihren Mann erwarten.«
    »Sie hat mich nicht erwartet«, erklärte Michael, »ich habe mich spontan zu der Reise entschlossen.«
    »Ach so«, sagte Beatrice. Franca hatte den Eindruck, daß ihr die Anspannung, die sich ausgebreitet hatte, nicht entging.
    »Franca, gehen Sie doch ins Wohnzimmer mit Ihrem Mann. Nehmen Sie aus der Küche, was Sie mögen, Kaffee, Tee, Wasser oder was auch immer. Ich bin oben, wenn Sie mich brauchen.«
    Franca verspürte den kindischen Wunsch, sie zu bitten, nicht wegzugehen, aber natürlich unterdrückte sie es, dies auszusprechen. So sagte sie nur: »Kevin war vorhin hier, Beatrice. Wir sind
alle heute abend zum Essen bei ihm eingeladen - Sie, Helene und ich. Um sieben Uhr.«
    »Erstaunlich, welch ein Besucherstrom sich heute früh hier schon blicken läßt«, sagte Beatrice. »Sind Sie sicher, daß es Kevin war? Für gewöhnlich spricht er solche Einladungen nicht wochentags aus.«
    »Nun, er wollte wegen Helene...«, setzte Franca an, aber ein ungeduldiges Hüsteln von Michael ließ sie verstummen. »Es war jedenfalls Kevin«, sagte sie überflüssigerweise, denn natürlich hatte Beatrice nicht daran gezweifelt.
    »Gibt es hier im Haus noch ein Zimmer, das ich für die Nacht mieten kann?« fragte Michael. »Sonst müßte ich mich um ein Hotel kümmern.«
    »Das Zimmer, in dem jetzt Ihre Frau wohnt, ist das einzige, das wir vermieten«, erklärte Beatrice.
    »Du kannst auf jeden Fall erst einmal deine Koffer dort abstellen«, sagte Franca hastig. »Ich zeige dir den Weg.«
    »Ich würde danach gern zum Essen gehen«, sagte Michael und folgte ihr die Treppe hinauf. »Unsere Unterredung muß ja nicht unbedingt hier stattfinden, oder?«
    »Nein... wie du möchtest... wir können gern irgendwohin fahren...«
    Michael brachte seinen Koffer in ihr Zimmer, der - obwohl er nur klein war - wie ein großer, schwarzer Eindringling darin wirkte. Dann verschwand er im Bad, um »sich frisch zu machen«. Franca wischte ihre feuchten Handflächen an ihrer Jeans ab und starrte wie gebannt in den Spiegel im Flur.

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