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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Hände, die die Waffe hielten, zitterten. Sein Gesicht hatte die hektische Rötung verloren und war nun sehr bleich. Er hatte braune Schatten unter den Augen, sah aus, als litte er unter einer Krankheit.
    »Gott, Wyatt«, stieß er heiser hervor und sah den Arzt haßerfüllt an, »Sie sind erledigt, wenn ich dahinterkomme, daß Sie gelogen haben. Wenn sich herausstellt, daß es Medikamente für mich hier im Haus gibt. Ich erschieße Sie eigenhändig, das schwöre ich! «
    »Ich habe nichts, Sir«, erwiderte Wyatt ruhig, und Beatrice bewunderte den Arzt für die Gelassenheit, die er ausstrahlte. Auch ihm mußte das Herz bis zum Hals schlagen, aber niemand hätte ihm etwas angemerkt. »Ich versichere Ihnen, auch mir wird seit Monaten nur noch das allernotwendigste Material für meine Praxis geliefert, und das, was Sie brauchen, zählt nicht dazu.«
    Erich schlich mit letzter Kraft nach Hause zurück, den steilen Berg, den sie hinauf mußten, schaffte er kaum. Er hatte sich in den letzten Stunden völlig verausgabt. Beatrice hoffte, daß er den Rest des Tages im Bett verbringen würde.
    Tatsächlich ging er, kaum daheim angekommen, wortlos ins
Schlafzimmer und schloß sich darin ein. Helene spähte durch die Küchentür.
    »Was ist passiert?« flüsterte sie.
    »Dr. Wyatt konnte ihm auch nichts geben«, antwortete Beatrice, »aber ich hoffe, er wird jetzt ruhiger. Er ist restlos erschöpft. Er wird wohl einige Stunden schlafen.«
    »Es wird immer schlimmer mit ihm«, sagte Helene. Sie hatte verweinte Augen. »Ich glaube auch nicht, daß er für heute Ruhe gibt. Er wird eine Weile schlafen, und dann fängt er von vorn an.«
    »Wir können nur abwarten«, sagte Beatrice, »und bis dahin sollten wir versuchen, die Unordnung im Eßzimmer einigermaßen zu beseitigen.«
    »Er ist nicht mehr normal«, flüsterte Helene. Es schien kaum möglich, sie zu einer vernünftigen Handlung zu bewegen. »Er ist einfach krank. Er gehört in Behandlung. Wie soll das nur werden, wenn der Krieg vorbei ist?«
    Beatrice hoffte, daß Erich nach dem Krieg in Gefangenschaft geraten und für eine ganze Reihe von Jahren aus dem Verkehr gezogen würde, aber sie sagte nichts. Es hatte keinen Sinn, Helene nun unnötig zu beunruhigen. Es ging ihr ohnedies schlecht genug.
    »Gibt es etwas zum Frühstück?« fragte Beatrice.
    Helene hob in einer hilflosen Bewegung die Schultern. »Wir haben kein Stück Brot mehr. Wir haben kein eingemachtes Obst mehr, nichts mehr. Ich habe etwas Ersatzkaffee gekocht, aber das ist alles.«
    Beatrice trank eine Tasse von dem Kaffee, der wie Wasser schmeckte. Sie hatten keinen Zucker mehr und auch keine Milch, und so gab es nichts, womit sie ein wenig Geschmack in die bräunliche Flüssigkeit hätte bringen können.
    Helene saß mit hängenden Armen am Küchentisch, lamentierte wegen Erich und wegen des ihnen allen bevorstehenden Hungertodes und sagte dann, es sei im Grunde gleichgültig für sie, ob es etwas zu essen gebe oder nicht, sie hätte sowieso keinen Bissen hinuntergebracht.
    Beatrice setzte sich auf die Veranda und blickte in den Garten, wo Pierre unter der Aufsicht des Wachmanns ein Beet vom Unkraut befreite; er arbeitete langsam, hielt immer wieder inne und atmete
tief durch. Er hatte ebenfalls kein Frühstück bekommen und stand dicht vor einem Zusammenbruch. Der Wachmann kaute auf einem Stück Baumrinde herum, starrte müde vor sich hin.
    Die Sonne stand schon hoch am östlichen Horizont und versprach einen heißen Tag. Wir sollten wirklich aufräumen, dachte Beatrice, aber auch sie fühlte sich so tief erschöpft, daß sie nicht wußte, wie sie sich aufraffen sollte. Eine innere Stimme sagte ihr, daß Helene diesmal wohl recht hatte mit ihrer düsteren Prognose: Erich würde für diesen Tag noch nicht Ruhe geben.
    Es war ein Tag, der gewitterschwer schien. Das lag nicht am Wetter, das heiß und trocken, aber nicht schwül war. Doch es herrschte eine eigentümliche Spannung im Haus, eine leise Vibration unter einer scheinbar völlig ruhigen Oberfläche, die an ein Gewittergrollen erinnerte. Es war die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Nichts bewegte sich. Aber es war eine trügerische Reglosigkeit, die Menschen und Natur befallen hatte. Sie war nicht echt. Unter ihr brauten sich unheilvolle Geschehnisse zusammen.
     
    Am frühen Nachmittag, kurz nach drei Uhr, klappte der Wachmann zusammen. Er hatte die ganze Zeit auf einem Baumstumpf gesessen und an immer neuen Stücken Rinde gekaut. Wie sie alle hatte auch er

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