Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
verstanden hatte. In ihrem Kopf jagten sich die Gedanken. Verzweifelt suchte sie nach einer Begründung, die ihn von seinem Vorhaben abbringen könnte. Bei den Wyatts war Julien, und es war überaus gefährlich, Erich dorthin gehen zu lassen.
»Ja«, sagte er ungeduldig, »zu den Wyatts. Ich bin sicher, der gute Doktor hat noch ein paar hübsche Vorräte an Tabletten, und ich bin sicher, er gibt sie mir gern.«
»Ich glaube nicht, daß er noch etwas hat. Die Ärzte bekommen genausowenig Nachschub wie alle anderen auch. Er hat wahrscheinlich nicht einmal mehr eine Pille gegen Kopfschmerzen in seiner Praxis.«
Erich war jedoch ganz offensichtlich nicht mehr in der Lage, vernünftig abzuwägen und die Sinnlosigkeit seines Planes zu überblicken. »Er hat noch etwas«, beharrte er mit der gleichen Sturheit, mit der er zuvor verkündet hatte, es befinde sich eine vergessene Schachtel hinter der Anrichte. »Zieh dich endlich an. Beeile dich.«
Sie ging hinauf, so langsam sie es bewerkstelligen konnte. Sie hätte die Wyatts gern angerufen, aber der Apparat stand unten in der Halle, gleich neben der weit offenen Tür zum Eßzimmer. Ausgeschlossen, daß Erich nichts mitbekommen sollte. Ob sie ihn überreden konnte, sein Kommen telefonisch anzukündigen? Das
würde den Wyatts wenigstens die Möglichkeit geben, Julien außer Haus zu schaffen, obwohl es ihnen nicht gelingen konnte, in der Eile alle Spuren auf dem Dachboden zu beseitigen. Jedem mußte auffallen, daß dort oben ein menschliches Wesen hauste.
Erich ließ sich jedoch ohnehin nicht darauf ein, einen Anruf zu tätigen. »Nein, verdammt, wozu?« fragte er aggressiv zurück. »Bist du endlich fertig? Los, komm, wir gehen!«
Sie durchquerten das Dorf im Sturmschritt. An der Auffahrt zum Haus des Arztes zog Erich seine Pistole hervor.
»Damit hat man immer die besseren Karten«, sagte er. »Ich bin sicher, wir werden nun auf eine Menge Bereitwilligkeit stoßen. Wir gehen jetzt dort hinein, und ich werde nicht ohne die verfluchten Tabletten wieder herauskommen, und wenn ich das Unterste zuoberst kehren müßte.«
Beatrice sandte ein Stoßgebet zum Himmel und folgte ihm.
Er hatte getobt, geflucht und geschrien, er hatte mit seiner Pistole herumgefuchtelt, hatte sich jeden Schrank öffnen lassen, hatte den Inhalt von Schubladen durch das Zimmer geworfen und hatte sogar in die Kaninchenställe im Garten gespäht, als vermute er, dort könne etwas versteckt sein. Er hatte die Familie des Doktors in Angst und Schrecken versetzt, und Mrs. Wyatt hatte ausgesehen, als werde sie jeden Moment der Schlag treffen. Mae war aus dem Bett gekommen und hatte wie Espenlaub gezittert.
»Was ist denn los mit ihm?« hatte sie sich flüsternd an Beatrice gewandt, doch ehe diese hatte antworten können, war Erich schon herumgefahren und hatte mit seiner Waffe auf Mae gezielt.
»Niemand spricht ein Wort!« brüllte er. »Verstanden? Noch ein Wort, und ich schieße!«
Edith Wyatt zog Mae, die ihre Mutter inzwischen um einen halben Kopf überragte, an sich und umklammerte sie, als halte sie noch immer das kleine Mädchen in den Armen, das Mae einmal gewesen war.
Dr. Wyatt hatte versucht, beruhigend auf Erich einzuwirken, aber Erich war nicht daran interessiert gewesen, sich beschwichtigen zu lassen. »Ich will die Medikamente«, wiederholte er stereotyp, »ich will die gottverdammten Medikamente!«
Beatrice sah Dr. Wyatt flehend an, doch der zuckte bedauernd mit den Schultern und formte mit den Lippen ein lautloses Ich habe wirklich nichts da!
Es war ein Wunder, daß Erich die Bodenklappe nicht entdeckte. In seiner Besessenheit wäre er nicht davon abzubringen gewesen, hinaufzusteigen und dort oben weiterzusuchen. Aber tatsächlich versäumte er es im oberen Flur, einen Blick zur Decke zu werfen. Er tobte herum, anstatt die Ruhe zu wahren und alles zu überprüfen. Er durchwühlte den Kleiderschrank im Schlafzimmer der Wyatts, warf Mrs. Wyatts Wäsche auf das Bett, kippte dann die Matratze hinunter und stierte auf den Eisenrost, als könne sich ihm ein Geheimnis enthüllen, wenn er nur lange genug denselben Fleck fixierte. Danach kramte er in Maes Zimmer umher, rannte dann wieder die Treppe hinunter. Beatrice sah, daß Edith mit einer Ohnmacht kämpfte. Es wurden noch immer Todesurteile auf der Insel verhängt und vollstreckt. Edith wußte, daß vermutlich ihre ganze Familie würde erschossen werden, wenn Erich Julien entdeckte.
Erich war inzwischen so erschöpft, daß seine
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