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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sie die Paßkontrollen auf den Schiffen und am Flughafen verschärfen.« Auf einmal wirkte er unruhig. Die ganze Zeit über hatte er den Anschein eines Menschen erweckt, der geschockt ist, der vom Gang der Ereignisse überrollt wird und nicht weiß, wie er reagieren soll. Nun aber war er wieder hellwach und angespannt. Jetzt wußte er, daß er sich beeilen mußte.
    »Ich muß weg«, sagte er noch einmal und stand auf.
    Beatrice erhob sich ebenfalls. »Wie du das bewerkstelligst, mußt du selbst sehen. Ich wünsche dir viel Glück, daß du es schaffst.«
    Sie sahen einander an. Sie wußten, daß es nie wieder eine Begegnung zwischen ihnen geben würde. Keiner von ihnen wußte, was er sagen sollte. Aber Beatrice war mit ihren Gedanken ohnehin schon wieder anderswo.

    »Alan«, sagte sie, auf einmal nervös. »Franca sagte gar nicht, wo Alan ist. Warum hat sie angerufen und nicht er? Ich muß sofort in die Perelle Bay. Fahr mich rasch nach Hause, Julien. Dort kann ich dann mein Auto nehmen. Mein Gott, hoffentlich ist Alan nichts zugestoßen!«

10
    Schon von weitem sah sie die Absperrung der Polizei. Sah die Menschenmenge, die sich dort drängte, die vielen Schaulustigen, die sich aus unerklärlichen Gründen schon wieder rechtzeitig eingefunden hatten. Sie hörte eine Stimme, die durch ein Megaphon sprach, aber sie konnte die einzelnen Worte nicht verstehen. Ein Hubschrauber kreiste über der Szenerie. Am Eingang der Bucht konnte sie Polizeiboote erkennen. Ihre Unruhe wuchs. Sie hatte jetzt Angst. Sie wußte, daß etwas Schlimmes passiert war. Sie konnte es fühlen. Sie beschleunigte den Wagen, mußte aber gleich darauf wieder abbremsen. Es wimmelten zu viele Menschen herum.
    Ein Polizist trat ihr in den Weg, legte seine Hand auf die Motorhaube ihres Wagens und bedeutete ihr, anzuhalten. Sie kurbelte die Fensterscheibe hinunter. »Was ist?« fragte sie.
    »Sie können nicht weiterfahren, Madam. Ich muß Sie bitten, hier zu bleiben.«
    »Mein Sohn«, sagte sie, »mein Sohn ist dort irgendwo.«
    »Wo, Madam?«
    »Bei den Verbrechern. Er muß dort irgendwo sein.«
    Der Polizist sah sie zweifelnd an. »Wie heißen Sie?«
    »Shaye. Beatrice Shaye.«
    »Warten Sie bitte einen Moment«, sagte er und entfernte sich einige Schritte, um sich mit einem Kollegen zu beratschlagen.
    Diesen Moment nutzte Beatrice. Sie sprang aus ihrem Auto und rannte durch die Menge. Rücksichtslos schob sie die Leute beiseite. Irgendwo hinter sich hörte sie den Beamten rufen.
    »Mrs. Shaye! Mrs. Shaye, warten Sie doch!«

    Aber sie dachte nicht daran, stehenzubleiben. Sie erkannte den Ambulanzwagen, der jenseits der Absperrung stand. Es war ihr, als setze ihr Herz für einige Sekunden aus. Was hatte der Krankenwagen dort zu suchen? Gab es Verletzte? War Alan verletzt?
    Lieber Gott, betete sie lautlos, nicht Alan. Nicht Alan. Tu mir das nicht an, lieber Gott!
    Sie stand jetzt ganz vorn, direkt an dem Gitter, das die Polizisten dort aufgestellt hatten. Sie hielt sich daran fest. Sie atmete keuchend.
    Sie versuchte zu erfassen, was sie sah.
    Zwei Sanitäter trugen eine Bahre über den sandigen Weg aus der Bucht hinauf. Darauf lag ein Körper, der vollständig verhüllt war von einem Tuch.
    Warum haben sie seinen Kopf nicht frei gelassen, fragte sich Beatrice. Sie kannte die Antwort, aber sie versuchte, sie nicht als Erkenntnis in ihren Verstand vordringen zu lassen: Die Person auf der Bahre mußte tot sein.
    Aus den Gewächshäusern unten in der Bucht kamen Männer. Man hatte sie mit Handschellen gefesselt. Schwerbewaffnete Polizisten begleiteten sie. Irgendwie sah das alles unwirklich aus. Als werde ein Film gedreht. Kameras hätten herumstehen müssen, und ein Regisseur hätte seine Wünsche und Befehle brüllen müssen. Eine Szene wie diese konnte nicht wahr sein. Sie gehörte nicht in die Realität.
    Beatrice schob das Gitter zur Seite, schlängelte sich blitzschnell hindurch. Ein Polizist, der ein Stück entfernt stand, sah sie entgeistert an. »Madam...«, protestierte er, aber sie rannte los, ehe er die Hand nach ihr ausstrecken konnte. Trotz ihrer siebzig Jahre war sie gewandt und flink wie ein Wiesel. Sie stolperte über die Wiese, zum Glück trug sie Turnschuhe wie immer. Mae in ihren Pumps wäre keine zwei Meter weit gekommen.
    Sie erreichte die Bahre. Es war einer jener Momente in ihrem Leben, da sie alle Gefühle, alles Denken, alles, was in ihr lebte und sich regte, ausschaltete. Sie war eine kalte Hülle, die funktionierte. Die tat, was

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