Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Bereich.«
Sie saßen in der Petit Bôt Bay. Das Auto hatten sie ein Stück die Straße hinauf geparkt und waren im Schatten wuchernder, blühender Büsche und Bäume zur Bucht hinuntergelaufen. Der Strand lag im hellen Sonnenschein. Es waren ziemlich viele Menschen da. Die Flut hatte ihren Höhepunkt erreicht, und so war von dem goldfarbenen, breiten Sandstreifen nichts zu sehen. Ein paar Badende planschten in den Fluten. Im Eingang der Bucht dümpelte ein Segelschiff. Beatrice und Julien hatten sich einen abseits gelegenen, flachen Felsen gesucht, an dessen unterem Rand zwar die Wellen leckten, auf dem man oben aber bequem und geschützt sitzen konnte. Über ihnen türmten sich die Klippen.
»Die Besetzung wechselte immer wieder«, sagte Julien. »Ich war, neben dem Chef, die einzige konstante Größe. Wir stehlen Yachten überall auf den Kanalinseln, spritzen sie um und verkaufen sie in Frankreich. Das war mein Part. Der Weiterverkauf, meine ich. Ich organisiere das drüben. Ich finde die Abnehmer und manage die Geldübergabe.«
Sie blinzelte in die Sonne. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen.
»Ich kann das gar nicht mit dir in Einklang bringen«, sagte sie, »mit dem Bild, das ich von dir habe.«
»Welches Bild hast du denn?«
»Du bist der Mann, den ich einmal geliebt habe. Ich sehe dich
als ein wenig leichtsinnig, als einen Menschen, der nicht besonders achtsam mit anderen umgeht. Aber in einem Buch oder in einem Spiel wärst du für mich bei den ›Guten‹. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja«, sagte er, »ich verstehe. Du mußt das Bild revidieren.«
»Das scheint so, ja.«
»Ich wußte natürlich, daß es kriminell ist, was wir tun. Da habe ich mir nie etwas vorgemacht. Nur bislang ... «
»Bislang?«
»Bislang handelte es sich wirklich nur um Diebstahl. Um Hehlerei. Und nun ...« «
Beatrice merkte, daß sie zu frösteln begann. Obwohl die Sonne heiß herunterbrannte, bekam sie eine Gänsehaut auf den Armen, und ein Schaudern lief durch ihren Körper.
Franca hatte in allem recht gehabt.
»Helene«, fragte sie, »ihr habt wirklich etwas mit Helenes Tod zu tun?«
»Bis gestern wußte ich nichts davon«, sagte Julien, »genaugenommen wußte ich bis vorhin auch nicht, daß es um Helene ging. Ich bin gestern schon von St.-Malo herübergekommen, nicht erst heute. Ich habe dich beschwindelt, weil ... ach, es schien mir einfacher. Und gestern hörte ich auch von Gérard - das ist einer aus der Bande, ein unangenehmer Typ -, daß es ein Unglück gegeben hat. Daß sie eine Frau getötet haben, die ihnen auf die Spur gekommen ist. Eine alte Frau, die lediglich das Pech hatte, im falschen Moment am falschen Ort zu sein... Ich war schockiert. Entsetzt.« Er schwieg einen Moment, kratzte aus einer Kuhle im Stein etwas Sand, ließ ihn durch die Finger rieseln. Direkt neben ihnen schrien Kinder, die mit einer Frisbee-Scheibe spielten. Ihre mageren, braungebrannten Körper bewegten sich pfeilschnell von Felsen zu Felsen.
»Wie gesagt«, fuhr er fort, »ich hatte keine Ahnung, daß es Helene war. Ich wußte auch nicht, daß sie ... ihr die Kehle durchgeschnitten haben. Auch so schon empfand ich es als schlimm genug. Diebstahl ist eine Sache. Mord eine andere.«
»Kevin Hammond gehört auch zu euch?« Es ging Beatrice auf, daß Franca tatsächlich alle wesentlichen Informationen überbracht hatte.
»Kevin Hammond? Das ist der Gärtner, bei dem wir die Boote seit knapp zwei Jahren umlackieren. Er hat Gewächshäuser in der Perelle Bay aufgetrieben. Dort kann alles unbemerkt über die Bühne gehen.« Er sah sie aufmerksam an. »Kennst du Kevin?«
»Wir sind seit langem befreundet. Und Helene verstand sich sehr gut mit ihm. Er war ihr Vertrauter, ihr engster Freund. Sie wurde ermordet an dem Abend, an dem sie bei ihm war. Ich nehme an, dort hat sie etwas gehört oder gesehen, was nicht für sie bestimmt war.«
»Ich kenne den Ablauf nicht genau. Aber deine Vermutung klingt schlüssig. So wird es gewesen sein.«
»Ob Kevin selbst...?«
»Nein. Das war Gerard. Er ist der Typ für so etwas. Er hat jahrelang als bezahlter Killer in Südfrankreich gearbeitet. Er ist irgendwie mit der französischen Mafia verstrickt. Ich war von Anfang an dagegen, ihn bei uns mitmachen zu lassen. Ich hielt ihn für hochgefährlich. Aber ich hatte darüber nicht zu bestimmen.«
»Franca sagte, sie wolle die Polizei in die Perelle Bay schicken.«
Julien verzog das Gesicht. »Dann gehen die jetzt alle hoch. Ich sollte auch
Weitere Kostenlose Bücher