Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
eine ewig sprudelnde Geldquelle und wohlgesonnene Gönnerin gefunden hatte, und diese Information war an die anderen weitergetragen worden. Nun hatten sie von Kevin immer wieder Geld gefordert - das dieser dann bei Helene herauszuschlagen versuchen mußte.
»Das Geschäft mit den gestohlenen Schiffen wurde immer riskanter und weniger lukrativ«, erzählte eines der Bandenmitglieder vor der Polizei. »Wir hatten einfach nicht mehr die Gewinne von früher. Wenn wir Geld brauchten, gingen wir zu Kevin Hammond. Er pumpte dann die Alte an. Einmal, im letzten Jahr, weigerte er sich. Als Warnung machten wir sein Auto kaputt. Er verstand und war dann wieder in der gewohnten Weise kooperativ.«
Es bedrückte sie alle - Beatrice, Alan und Franca -, im nachhinein noch zu erfahren, daß Kevin sehr verzweifelt gewesen sein mußte. Er hatte unter höchstem Druck gestanden und es offensichtlich nicht gewagt, sich irgend jemandem anzuvertrauen. An jenem Abend des 1. Mai, der Helene zum Verhängnis geworden war, war die Situation eskaliert: Kevin hatte wenige Tage zuvor voller Entschlossenheit, die sich jedoch mit heftiger Angst mischte, erklärt, endgültig aussteigen zu wollen. »Ich lasse mich nicht länger erpressen!« hatte er geschrien. »Laßt mich endlich in Ruhe!«
Gerard hatte ihm einen Besuch für den Abend des 1. Mai angekündigt.
»Ich nehme an«, sagte Beatrice, »daß er uns deshalb alle eingeladen hat. Wenn so viel Besuch da ist, dachte er, würden sie ihm nichts tun können. Er war geschockt, als ich Helene bei ihm absetzte und mich dann davonmachte und er zudem erfahren mußte, daß auch Franca nicht kommen würde. Er muß von Angst erfüllt gewesen sein.« Sie schauderte, ihre Finger umschlossen das Sherryglas fester. »Vieles wird mir jetzt erst klar. Seine plötzliche Ängstlichkeit, seine Angewohnheit, sich im Haus einzuschließen ... Ich dachte, er finge an, wunderlich zu werden. In Wahrheit hatte er einfach Angst. Und es war eine höchst reale und sehr begründete Angst.«
»Helene ist von diesem Gerard umgebracht worden?« fragte Franca. Sie war bereits vernommen worden, hatte aber noch nichts von den Ergebnissen der anderen Verhöre mitgeteilt bekommen.
Beatrice nickte. »Sie haben Blutspuren an seinem Klappmesser gefunden. Eindeutig Helenes Blut. Sie war wohl mit Kevin im Eßzimmer, als die Männer erschienen. Sie konnten durch die Küchentür eindringen, was Kevin mitbekam. Er ging zu ihnen in die Küche, verschwieg, daß er einen Gast nebenan sitzen hatte. Die Leute bedrohten ihn, sie wollten seine Existenz vernichten, sie würden auch ganz gezielt gegen seine Person vorgehen - Autoreifen zerstechen, Fensterscheiben einschlagen und ähnliches. Kevin flehte darum, aussteigen zu dürfen. Offenbar belauschte Helene das Gespräch. Vielleicht wollte sie einfach sehen, was Kevin so lange in der Küche tat, hörte im Näherkommen etwas, das sie irritierte, blieb stehen und lauschte. Sie muß von einem Entsetzen ins nächste gefallen sein. Sie hat dann wohl ganz leise und still vom Telefon im Wohnzimmer aus das Taxi bestellt. Möglicherweise hat sie noch eine Weile gewartet. Als sie aus dem Haus schlich, hörten die Männer in der Küche die Tür klappen.« Beatrice schwieg für einen Moment.
»Sie muß entsetzliche Angst gehabt haben«, meinte Franca.
»Helene, die vor jeder Spinne davonlief«, sagte Beatrice, »Helene, die sich bei jedem Krimi im Fernsehen die Augen zuhielt. Um dann plötzlich selbst im Mittelpunkt eines Gangsterdramas zu stehen. «
Sie sahen einander alle an, und jeder spürte das gleiche: Jeden Moment hätte Helene durch die geöffnete Verandatür zu ihnen heraustreten müssen. In einem viel zu jugendlichen, gerüschten Sommerkleid. Sie hätte große Augen machen müssen und sagen: »Oh - ihr sitzt hier alle! Warum sagt mir keiner etwas?« Und sie alle hätten den Vorwurf gespürt und betreten geschwiegen, und Helene hätte sich ein Glas geholt und sich ebenfalls einen Sherry eingeschenkt. Sie hätte Alan über den Kopf gestreichelt und Franca ein Kompliment gemacht, das ernst gemeint gewesen wäre. Dann hätte sie sich hingesetzt und angefangen zu jammern. Über das Wetter und über die Weltpolitik. Und über Misty, deren Haare alle Stühle und Sessel im Haus verunzierten. Irgendwann hätte Beatrice gereizt gesagt: »Ja, wir wissen es, Helene! Das Leben ist schrecklich, und besonders zu dir ist es wirklich immer nur gemein gewesen. Könntest du jetzt mal still sein und uns den
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