Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
kann die ganze Welt erobern«, meinte Beatrice, aber sie war nicht sicher, ob es die Deutschen nicht doch konnten. Und auch Mae sah aus, als habe ihre Hoffnung, alles werde eines Tages wieder gut sein, einen schweren Schlag abbekommen. »Die Deutschen« sah sie zwar seit Wochen an allen Ecken und Enden der Insel, aber sie war noch nie wirklich mit ihnen in Berührung gekommen. Nun hatte sie Erich in Hochform erlebt, und er war ihr wie die Verkörperung des Grauens erschienen, das in den Stimmen der Leute schwang, wenn sie von »den Deutschen« sprachen. Sie verstand nun die Angst ihrer Mutter und den ständigen Ausdruck von Besorgnis auf dem Gesicht ihres Vaters.
»Es wäre besser gewesen, wegzugehen«, sagte sie, aber Beatrice erwiderte leise: »Ich bin froh, daß ihr noch hier seid. Ich würde mich sonst völlig verlassen fühlen.«
Sie saßen noch eine Weile schweigend im Gras, hielten ihre Gesichter in die Sonne und atmeten den Duft der Rosen. Irgendwann hörten sie Will rufen. Sie standen auf und kamen hinter der Mauer hervor, damit er sie sehen konnte. Die Franzosen waren verschwunden, alle Spuren des verunglückten Kaffeeklatsches beseitigt. Der Garten war still und friedlich.
»Ich fahre dich jetzt nach Hause, Mae«, sagte Will. »Beatrice, du könntest noch einmal nach Mrs. Feldmann sehen. Sie ist in ihrem Zimmer, und ich fürchte, es geht ihr nicht besonders gut.«
Mae und Beatrice verabschiedeten sich voneinander, beide verstört und bedrückt, voller Angst, was kommen würde.
»Wir sehen uns bald wieder«, versprach Mae, aber Beatrice wußte, daß dies allein von Erichs Launen abhing und daß es ihm Spaß machen würde, ihr den Umgang mit der Freundin besonders schwierig zu gestalten.
Sie sah Wills Auto nach, bis es am Fuß der Auffahrt angelangt war, dann ging sie ins Haus, lief die Treppe hinauf und klopfte vorsichtig an die Schlafzimmertür. Niemand antwortete. Zaghaft öffnete sie die Tür, aber das Zimmer war leer. Auf dem Bett lag ein Koffer, aufgeklappt, darin stapelten sich ein paar offensichtlich willkürlich zusammengewürfelte Kleidungs- und Wäschestücke.
Der Schrank stand offen; ein paar Röcke lagen davor auf dem Boden. Es sah aus, als habe jemand in größter Hast abreisen wollen, habe gegriffen, was ihm in die Finger kam und sei dann schon beim Einordnen in den Koffer von jeder Geduld verlassen worden. Beatrice dachte, daß Erich sicher mit tiefster Wut auf die Unordnung im Zimmer reagieren würde. Wie konnte Helene ihn derart provozieren? Und wo war sie überhaupt?
Während sie noch unschlüssig dastand und überlegte, ob sie Helene suchen oder lieber selbst das Zimmer aufräumen sollte, hörte sie einen dumpfen Schlag, der aus dem Badezimmer kam. Sie lief hinüber, zögerte nur einen Moment, riß dann die Tür auf, die nicht verschlossen war. Sie blieb stehen und versuchte zu begreifen, was sie sah.
Die Badewanne war randvoll mit Wasser gefüllt, lief bereits über, und Pfützen bildeten sich auf den steinernen Fliesen. Vor der Wanne lag Helene. Sie trug nichts als ihren aprikosenfarbenen Bademantel, der vorne auseinanderklaffte und ihren nackten, mädchenhaft schmalen Körper enthüllte. Ihre langen Haare, dunkler als sonst von der Nässe, verteilten sich wie ein Kissen um ihren Kopf herum. Die Pfützen neben ihr waren rot gefärbt, und aus ihren Handgelenken schossen rhythmisch pulsierende Ströme von Blut.
Der Anblick des Blutes schockierte Beatrice, auch wenn ihr Verstand sich im ersten Moment weigerte zu begreifen, was geschehen sein mußte. Sie stieg vorsichtig durch die Pfützen, durch die sich, wie sie nun sah, überall Schlieren von Blut zogen, und drehte den Hahn über der Wanne zu. Dann kniete sie neben Helene nieder, sah die Rasierklinge, die ein Stück von ihr entfernt auf dem Boden lag, und die tiefen, häßlichen Wunden an Helenes Handgelenken.
»Oh, du lieber Gott«, flüsterte sie entsetzt.
Helene rührte sich nicht und war von einer so durchsichtigen Blässe im Gesicht, daß Beatrice einen furchtbaren Moment lang überzeugt war, sie sei bereits tot. Doch dann erkannte sie, daß sich Helenes Brust kaum merklich hob und senkte: Sie hatte das Bewußtsein verloren, war aber noch am Leben.
»O Gott«, murmelte Beatrice noch einmal. Sie sprang auf die
Füße, rief nach Will, aber dann fiel ihr ein, daß er gerade Mae nach Hause fuhr. Mae! Sie mußte sofort Maes Vater anrufen!
Sie rannte die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, wählte mit zitternden Fingern das Amt,
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