Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Aber deine Eltern hatten uns gesagt, sie verlassen die Insel, und wir wären nicht im Traum darauf gekommen, daß du noch hier bist!«
»Beatrice gehört jetzt zu meiner Frau und mir«, sagte Erich. »Sie müssen sich keinerlei Sorgen um sie machen.«
Maes Eltern musterten den Besatzer feindselig, erwiderten jedoch nichts. Wie alle auf den Inseln zurückgebliebenen Engländer litten sie unter zahlreichen Schikanen der Deutschen; unter dem Versammlungsverbot, der abendlichen Ausgangssperre, jeder nur denkbaren Rationierung der täglichen Verbrauchsgüter. Man
hatte ihr Auto beschlagnahmt und es ihnen erst auf Dr. Wyatts heftigen Protest hin zurückgegeben; selbst die Deutschen hatten einsehen müssen, daß er als Arzt nicht ohne Auto sein konnte. Mrs. Wyatt durfte nicht mehr in ihren Bridgeclub gehen, und zahlreiche ihrer Bekannten waren interniert worden. Sie hatte Zwangsarbeiter gesehen, die man vom Festland auf die Insel gebracht hatte, damit sie Festungen, Bunker und Wälle bauten. Die Deutschen waren, so kam es Edith Wyatt vor, besessen von Festungen, Bunkern und Wällen. Innerhalb der wenigen Wochen, die sie hier waren, hatten sie es bereits erreicht, der Insel ein neues Gesicht zu geben. Die Häftlingskolonnen, die Jeeps, die bewaffneten Soldaten, die Hakenkreuzfahnen, die ersten Zugwaggons, die aus Frankreich herübergeschafft wurden, um Granitfelsen und Felsblöcke zu transportieren — all dies schien wie eine gigantische Kriegsmaschinerie, die perfekt funktionierte und von einer vollkommenen Unaufhaltsamkeit war. Die Nazis hatten eine gnadenlose Art, die Dinge unter Kontrolle zu bringen. Sie organisierten schnell und gründlich und mit einer Perfektion, die man übermenschlich oder auch unmenschlich nennen konnte. Mrs. Wyatt, die das behagliche, geruhsame Leben der Gattin eines Landarztes geführt hatte, sah ihre Welt auf den Kopf gestellt und von namenlosen Gefahren bedroht. Sie bereute es, nicht an der Evakuierung teilgenommen zu haben. Sie hatte sich nicht entschließen können, ihr gemütliches Häuschen aufzugeben, und ihr Mann hatte gemeint, gerade als Arzt zum Bleiben verpflichtet zu sein. Nun zitterte sie jeden Tag, daß man ihr das Haus wegnehmen könnte. Vielen war es so ergangen; die Besatzer beschlagnahmten Häuser, wie es ihnen paßte, und nur in seltenen Fällen erlaubten sie den Besitzern, dort ebenfalls, zusammengepfercht in einem Zimmer, wohnen zu bleiben.
Dr. Wyatt wandte sich an Erich und sagte: »Wir würden Beatrice gerne mit zu uns nehmen. Wir waren eng mit ihren Eltern befreundet. Ich denke, es wäre im Sinne von Deborah und Andrew Stewart, daß wir uns um ihre Tochter kümmern.«
Erich lächelte, aber seine Augen blieben kalt. »Und ich denke, daß es darum geht, was in meinem Sinne ist. Beatrice bleibt hier bei uns. Mae kann hin und wieder herüberkommen und sie besuchen,
aber vorläufig möchte ich nicht, daß Beatrice zu Ihnen geht.«
Dr. Wyatt erwiderte darauf nichts mehr, aber er strich Beatrice kurz über die Haare, in einer aufmunternden und beruhigenden Geste, die sie als Versprechen auffaßte, daß er sich trotz allem um sie kümmern und sie nicht aus den Augen verlieren würde.
Helene hatte den Tisch im Garten gedeckt; die Abende waren zwar schon kühl inzwischen, aber tagsüber schien die Sonne noch warm und strahlte in sanftem, goldfarbenem Licht. Es roch nach reifem, süßem Obst, und die Rosen verströmten einen tieferen Duft als je im Sommer.
Helene trug ein Dirndlkleid. Beatrice hatte mitbekommen, daß sie es auf Erichs Befehl hin angezogen hatte, obwohl sie sich darin nicht mochte. Sie sah wieder einmal gequält und unglücklich aus und noch jünger, als sie war.
Dr. Wyatt und seine Frau wurden höflich, aber sehr nachdrücklich von Erich wieder fortgeschickt, indem er ihnen erklärte, Mae werde am Abend von Will nach Hause gebracht.
Dann ging die seltsame Geburtstagsgesellschaft in den Garten und setzte sich um den Tisch, den Helene liebevoll mit Deborahs schönstem Porzellan gedeckt hatte.
Erich nahm eine der zarten Wedgewood-Tassen in die Hand und hielt sie in die Höhe.
»Von meiner Frau Helene kannst du eine Menge lernen, Mae«, sagte er, »eine ganze Menge, wirklich.«
Helene bekam hektische Flecken im Gesicht, und Mae blickte verwirrt drein.
Erich setzte die Tasse wieder ab, sie klirrte leise, denn seine Bewegung war heftig gewesen. » Helene hat eine ganz besondere Art, junge Mädchen auf das Leben vorzubereiten«, fuhr er fort, »eine geschickte
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