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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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großen Bruder hatte und von ihm ausgiebig mit Geschichten versorgt wurde, die sich um das sexuelle Verhältnis zwischen Männern und Frauen drehten. Das meiste klang derart abenteuerlich, daß Beatrice sich nicht vorstellen konnte, daß etwas Wahres daran sein mochte. Was sie jetzt sah, schien jedoch das Grauen zu bestätigen, das auch durch Maes Worte immer geklungen hatte. Die nackten Leiber, auf denen der Schweiß glänzte, die Aggression der Bewegungen, das Stöhnen, die verzerrten Gesichter machten auf Beatrice den Eindruck eines Kampfes auf Leben und Tod, dem sich zwei Menschen aus unerfindlichen Gründen hingaben.
    Erichs Atem ging nun immer schneller, und Helene bewegte sich
mit einer Heftigkeit, daß ihre Haare flogen. Dann keuchte Erich wie ein sterbendes Tier, die Muskeln seines Körpers spannten sich, und schließlich sank er in sich zusammen, blieb schwer atmend liegen, schien in Ermattung und Erleichterung auseinanderzufließen.
    Helene rührte sich nicht mehr. Sie blieb noch einen Moment lang auf Erich sitzen, dann rutschte sie herab und legte sich an seine Seite. Sie kuschelte sich an ihn, schlang einen Arm um ihn, vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Beatrice hätte nicht zu sagen gewußt, wodurch sich ihr die Veränderung mitteilte, aber innerhalb weniger Minuten verkehrten sich die Machtverhältnisse zwischen den beiden wieder in die ursprünglichen Positionen. Helene wurde schwach, und Erich wurde stark. Vielleicht lag es an der Deutlichkeit, mit der Helene um Zärtlichkeit warb, und an der Kälte, mit der Erich ihr diese verweigerte. Er ließ ihre Berührungen über sich ergehen, erwiderte sie aber mit keiner Geste. Plötzlich schwang er abrupt beide Beine aus dem Bett und erhob sich. Helenes Arm schüttelte er dabei ab wie ein lästiges Insekt.
    »Erich«, bat Helene leise. Sie klang traurig und verletzt.
    Er erwiderte etwas auf deutsch, was Beatrice nicht verstand. Der Tonfall aber war abweisend und kalt. Sie sah seinen nackten Körper sich dunkel abzeichnen vor dem hellen Rechteck des Fensters. Erich hatte lange Beine, sehr breite Schultern. Er war ein schöner Mann, wie Helene eine schöne Frau war; ein gutaussehendes Paar, das optisch eine große Harmonie ausstrahlte. Niemand hätte gedacht, daß ihre Beziehung marode war wie ein morscher Baum.
    Helene zog die Bettdecke bis zum Kinn. Der triumphierende Ausdruck, der noch wenige Augenblicke zuvor ihr Gesicht völlig verändert hatte, war nun verschwunden. Sie sah wieder aus wie ein waidwundes Reh und schien mit den Tränen zu kämpfen.
    Erich zog seine Uniform an, strich sich vor dem Spiegel über die Haare. Er hatte sich jetzt vollkommen in der Gewalt, war wieder der Erich, der seiner Umgebung ständig eine latente Furcht einflößte und von dem man nie wußte, welche Gedanken hinter seiner Stirn vorgingen.
    »Zeit zum Abendessen«, sagte er. Diesmal verstand Beatrice seine Worte. Es geschah jetzt öfter, daß sie einzelne Sätze oder wenigstens Teile davon mitbekam.

    Helene rührte sich nicht. Ihre Augen bettelten um Zärtlichkeit, aber es war klar, daß sie ebensogut einen Stein hätte anflehen können.
    »Zeit zum Abendessen«, wiederholte Erich, und diesmal klangen die Worte wie eine Drohung.
    Helene grub sich tiefer in ihre Decke. Sie schien das Bett nicht verlassen zu wollen, sah blaß und gedemütigt aus. Erich zog seine hohen, schwarzen Stiefel an und war nun fertig. Er ergriff ein Kleiderbündel, das auf einem Stuhl lag, und warf es auf das Bett, mitten auf Helenes Bauch. »Zieh dich an und komm runter«, befahl er und wandte sich zur Tür.
    Beatrice konnte in letzter Sekunde im Bad verschwinden, ehe Erich auf den Flur hinaustrat und mit polternden Schritten die Treppe hinunterlief.
     
    Am Nachmittag des 5. September erschien Mae mit ihren Eltern. Als Beatrice die Freundin sah, schossen ihr zum erstenmal, seitdem sich all das Schreckliche ereignet hatte, die Tränen in die Augen, aber sie drängte sie sofort wieder zurück. Sie hatte sich geschworen, daß Erich sie niemals würde weinen sehen.
    Sie und Mae umarmten einander wie zwei Ertrinkende. Mae schluchzte und lachte abwechselnd und stellte hundert Fragen hintereinander, ohne eine einzige Antwort abzuwarten.
    »Wir dachten, du bist in England!« schrie sie. »Ich habe geglaubt, ich werde verrückt, als ich hörte, du bist hier!«
    Mrs. Wyatt, Maes Mutter, war voller Besorgnis.
    »Kind, wenn wir geahnt hätten, daß du hier bist, hätten wir uns längst um dich gekümmert.

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