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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sie werden dich finden! Sie werden ihre Hunde auf dich hetzten.
    - Sie finden mich niemals.

    Sanna lief den Hügel hinunter. Daniel ging Edvin entgegen.
    - Wer war das, mit dem du gesprochen hast?

    - Niemand.
    - Du mußt mich nicht anlügen. War es Sanna? Daniel antwortete nicht.

    - Doktor Madsen ist gekommen, sagte Edvin. Er hat zwei Herren aus Lund bei sich. Sie möchten dich treffen.

    Daniel blieb wie angewurzelt stehen.
    - Es ist nichts Schlimmes. Sie wollen dich nur zeichnen. Sie wollen in einem Buch über dich schreiben.

    Die beiden Männer, die in der Küche saßen und warteten, waren jung. Sie standen auf, gaben Daniel die Hand und sahen ihn freundlich an. Er merkte, daß sie nicht gafften, sondern ihn mit einer Neugier betrachteten, die ohne Angst war. Dann nannten sie ihre Namen, der eine, von kleiner Statur, der ein bleiches Gesicht und gelbe Haare hatte, hieß Fredholm, der andere, der größer war, kahlköpfig und mit einem Schnurrbart, hieß Edman. Doktor Madsen, vor dem Daniel sich fürchtete, weil er an Vaters Verschwinden schuld war, hockte sich vor ihn hin.
    - Die Herren Fredholm und Edman sind Studenten, sagte er. Weißt du, was ein Student ist?
    Daniel schüttelte den Kopf. Wenn Madsen in der Nähe war, wollte er nicht zu viele Worte sagen. Jedesmal, wenn er sprach, gab er seine Gedanken preis. Er wollte nicht, daß Madsen entdeckte, was er wirklich dachte.

    - Sie studieren an der Universität von Lund, fuhr Madsen fort. Was das ist, weißt du auch nicht. Aber du bist in der Stadt gewesen, und du hast bestimmt gehört, daß man dahin fährt, um Wissen zu erwerben. Dort gibt es einen Biologieprofessor Holszten, der Menschen studiert. Weshalb wir verschieden sind. Die wesentlichen Unterschiede der Rassen. Die unterlegenen, die aussterbenden, und Rassen, denen die Zukunft gehört. Es ist Professor Holszten, der die Herren zu einem Besuch hierher geschickt hat. Die Ergebnisse werden in einer rassenbiologischen Zeitschrift veröffentlicht, die kürzlich gegründet wurde.
    Doktor Madsen nahm Alma und Edvin mit sich hinaus in die Küche. Der Mann, der Edman hieß und einen kahlen Kopf hatte, holte einen Block hervor und fing an, Daniel zu zeichnen. Fredholm nahm ein Maßband, das er um Daniels Kopf legte. Daniel hatte große Lust zu lachen, erkannte aber, daß er besser ernst sein sollte. Er konnte nicht verstehen, wieso es so wichtig sein sollte, seine Nase oder den Abstand zwischen den Augen auszumessen. Er dachte, daß die beiden Männer an Vater erinnerten. Sie widmeten sich schwer begreiflichen Handlungen. Vater hatte in einer Wüste beinah das Leben verloren, als er nach Käfern und Schmetterlingen suchte. Und hier standen erwachsene Männer und nahmen allen Ernstes an seiner Nase Maß.
    - Man kann sich fragen, was er denkt, sagte Edman und
    änderte die Stellung, um Daniels Gesicht von links im Profil zu zeichnen.
    - Falls er überhaupt denkt, sagte Fredholm und notierte die Länge von Daniels linkem Ohr.
    - Seltsam, vor einem Geschöpf zu stehen, das einer aussterbenden Art angehört. Möchte wissen, ob ihm das selbst bewußt ist? Daß er bald nicht mehr existieren wird?
    Zerstreut lauschte Daniel auf das, was gesagt wurde. Ihm war plötzlich ein Gedanke gekommen. Sie könnten ihm vielleicht erklären, wo das Meer lag. Da sie allein im Zimmer waren, würden weder Alma noch Edvin erfahren, daß er danach gefragt hatte. Er würde warten, bis sie fertig waren. Dann würde er fragen, und er würde es auf eine solche Art tun, daß sie nicht merkten, welche Absicht hinter der Frage stand.
    - Mach den Mund auf, sagte Fredholm. Daniel gehorchte.

    - Hast du diese Zähne gesehen? Kein Loch. Kein Wurm.
    - Karies wird durch Bakterien verursacht. Aber das Weiß der Zähne wird dadurch verstärkt, daß er schwarz ist.

    Fredholm zog an den Zähnen.
    - Stark wie bei einem Raubtier. Wenn er zubeißen würde, wäre es, als hätte man eine verrückte Katze am Handgelenk hängen.
    Daniel dachte, es sei nun schon das zweite Mal, daß man ihn zeichnete und vermaß. Er überlegte, ob es in diesem Land Sitte sei, daß man Leuten, die zu Besuch kamen, Maßbänder um den Kopf legte.
    Fredholm fuhr mit dem Messen fort. Jetzt zupfte er an Daniels Lippen. Es tat weh, aber das gab er nicht zu erkennen.

    - Ich habe einmal einen Fuchskopf abgezeichnet. Er hatte vermutlich Tollwut, und ihm war der Kopf abgeschnitten worden. Ich habe jetzt dasselbe Gefühl, daß es ein Tier ist, das ich zeichne.
    Fredholm schneuzte sich

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