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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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in ein Taschentuch und bat Daniel dann, den Arm zu heben. Er roch und schnupperte an seiner Achselhöhle.

    - Tierisch, sagte er. Sehr streng. Kein gewöhnlicher Bauernschweiß.

    Edman legte den Zeichenblock weg und schnupperte ebenfalls.
    - Ich kann keinen Unterschied feststellen.

    - Von was?
    - Zwischen meinem eigenen Schweißgeruch und dem des Jungen. Du mußt achtgeben, daß du nicht von der Wahrheit abweichst.
    - Dann notiere ich, daß er denselben Geruch transpiriert wie ein Mensch.
    Edman lachte.
    - Er ist ein Mensch.
    - Aber aussterbend.
    Fredholm legte das Maßband hin und setzte sich.

    - Wenn man sich diesen Jungen etwas älter vorstellt. Wie er sich mit einem rosigen Bauernmädchen paart.

    - Ein widerwärtiger Gedanke.
    - Aber wenn? Was wird das Ergebnis sein?
    - Ein Mulatte. Von geringer Intelligenz. Darüber hat Holszten bereits geschrieben.
    Fredholm kratzte in einer Pfeife herum, die er dann anzündete.
    - Aber wenn all das falsch wäre, sagte er. Wenn der Ausgangspunkt nicht stimmt. Wohin geraten wir dann?

    - Wieso sollte der Aus gangspunkt nicht stimmen?
    - Wenn die christliche Lehre trotz allem die Wahrheit sagt? Daß alle Menschen gleich geschaffen sind?
    - Tierarten sterben aus. Warum nicht auch weniger gelungene menschliche Rassen?
    - Ich habe das Gefühl, er versteht alles, was wir sagen. Edman legte den Zeichenblock zur Seite.
    - Mag sein. Aber er versteht nicht, was er versteht. Wenn du fertig bist, möchte ich gern hinausgehen. Hier riecht es penetrant.
    Fredholm zuckte die Schultern.

    - Ich gebe zu, daß er an einen Affen erinnert. Aber das ändert nichts daran, daß er mir trotzdem wie ein Mensch vorkommt, der nicht so aussieht, als wäre er dabei auszusterben.
    - Diese Frage mußt du mit Holszten erörtern. Er hat es nicht gern, wenn man ihm widerspricht. Er meint, daß der Rassenbiologie die Zukunft gehört. Wer seinen Wegen nicht folgt, muß andere finden.

    Fredholm sagte nichts mehr, sondern packte seine Maßbänder und Zirkel in eine kleine Tasche.
    - Wo liegt das Meer? fragte Daniel.

    Die beiden Männer sahen ihn verwundert an.
    - Hat er was gesagt? meinte Fredholm.

- Er hat nach dem Meer gefragt.
    - Wo liegt das Meer? wiederholte Daniel. Edman lächelte. Dann zeigte er mit dem Finger.

    - In dieser Richtung Simrishamn. Und in dieser Richtung Ystad. In dieser Richtung Trelleborg. In dieser Richtung Malmö. Das Meer liegt rings um dich herum wie ein Hufeisen. Im Osten, Süden und Westen. Aber nicht im Norden. Da gibt es nur Wald.
    Es kam, wie Daniel gehofft hatte. Sie fragten nicht, wieso er sich für das Meer interessierte. Sie packten ihre Sachen zusammen und öffneten die Tür zu dem Zimmer, in dem Doktor Madsen zusammen mit Edvin und Alma wartete.
    - Ich hoffe, fünf Reichstaler sind genug, sagte Doktor Madsen und legte einen Schein auf den Tisch.
    Edvin nickte.

    - Mehr als genug.
    Dann begleiteten er und Alma die drei Männer hinaus zu dem wartenden Wagen.

    Daniel stand mitten in der Küche. Er schloß die Augen und meinte, das Rauschen der Wellen zu hören.
    Jetzt wußte er, in welche Richtung er nicht gehen würde.

    25

    Zwei Tage später brach Daniel auf. In der Nacht um kurz nach eins, als er sicher war, daß alle schliefen, zog er sich lautlos an und schlich mit den Holzschuhen in der Hand aus der Küche. Das, was von dem Sand übrig war, den er aus Vaters Insektenkästen geklaubt hatte, ein paar Brotstücke und Kartoffeln hatte er in ein Bündel gepackt. Als er auf den Hof trat, schlug ihm die Kälte hart entgegen. Einen kurzen Moment zögerte er und fragte sich, ob er die Wanderung zum Meer überstehen würde. Er wußte nicht, wie weit es war, und ebensowenig, ob die Ebene n von Bergen oder Sümpfen unterbrochen sein würden. Dann wickelte er sich das Halstuch um den Kopf und ging los. Er spürte, wie Be und Kiko nach ihm riefen. Es war windstill und bedeckt. Er hatte beschlossen, nach Süden zu gehen. In der Nacht davor hatte er sich einen Stern im Süden ausgeguckt. Er folgte dem Feldweg an dem Haus vorbei, in dem Sanna wohnte. Als ein Hund zu bellen anfing, lief er querfeldein. Erst als das Gebell verstummt war, blieb Daniel stehen. Die Kälte schnitt ihm in die Lungen.

    Er hatte Sanna erklärt, daß er fortgehen würde. Sie hatten oben auf dem Hügel gesessen, und er hatte erzählt, während sie grub und nach den unsichtbaren Menschen suchte, die sich unter dem Lehm befanden. Sie hatte wiederholt, was sie ihm schon früher gesagt hatte, er sei nicht recht

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