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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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abzusperren und den Schlüssel in die Tasche zu stecken.

    Daniel wartete, bis es dunkel war. Dann schlich er sich durch die Tür, die knarrende Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Es regnete. Obwohl der Lehm unter seinen Füßen kalt war, ging er barfuß. Er lief durch die Dunkelheit hinunter zum Wasser. An der Burg leuchtete ein Feuer, und in einem Haus hörte er einen Mann, der abwechselnd schrie und sang. Er klang genau wie Andersson, und Daniel dachte, es wäre vielleicht jemand, der ihn kannte, da die Stimmen sich so sehr glichen.

    Lange stand er am Ufer. Dann hob er einen Fuß und stellte ihn vorsichtig auf die Wasseroberfläche. Sie trug. Doch als er das Gewicht auf das andere Bein verlagerte, trat er durch das Wasser. Noch konnte er sich also mit Hilfe seines Willens nicht so leicht machen, daß das Wasser ihn trug. Noch war es zu früh. Er rannte zurück zu dem Haus, in dem sie wohnten. Er machte sich Sorgen, ob Vater vielleicht aufgewacht wäre und bemerkt hätte, daß er weggelaufen war.
    Aber als er die Tür vorsichtig öffnete, ohne anzuklopfen, lag Vater laut schnarchend im Bett. Daniel zog sich aus, wischte sich die Füße ab und kroch zwischen die klammen Laken.
    Zwei Tage später verkauften sie das Pferd an einen fetten Mann, dem an einer Hand drei Finger fehlten. Vater erklärte Daniel, ein wütendes Pferd hätte dem Mann die Finger abgebissen. Seither sei er dafür bekannt, daß er Pferde quälte. Aber da er besser zahlte als andere, würden sie ihm das Pferd verkaufen.
    - Quälen? Was bedeutet das? fragte Daniel.
    Es war ein neues Wort, das er noch nie gehört hatte.

    - Wie Andersson, antwortete Vater. Erinnerst du dich an ihn? Der Mann, der dich in die Kiste steckte?

    Daniel bemühte sich zu verstehen, welche Ähnlichkeit zwischen dem Mann bestand, der das Pferd kaufte, und einem Mann, der ihn in einer Kiste verwahrt hatte. Er dachte, er sollte danach fragen. Aber Vater würde vielleicht nicht antworten wollen.

    Er würde das Pferd vermissen. Am liebsten hätte er es mitgenommen, wenn er erst gelernt hätte, auf dem Wasser zu gehen. Menschen konnten Tiere zähmen. Vielleicht wäre es auch möglich, einem Pferd beizubringen, auf dem Wasserspiegel zu gehen, ohne daß er zerbrach?

    Am nächsten Tag schifften sie sich auf einem kleinen, schwarz geteerten Schoner ein. Den Wagen hatten sie nicht verkaufen können. Er stand verlassen am Kai. Der Laderaum war voll von getrocknetem Fisch, und dort gab es auch einen großen Fischkasten mit lebenden Aalen. Vater hatte das Einladen der Kisten, in denen die Insektentafeln verstaut waren, persönlich überwacht. Er hatte die Matrosen angeschnauzt, sie sollten achtgeben. In Daniels Kopf verwandelten sich die Männer mit ihren zerschlissenen Hosen und den Holzschuhen an den Füßen in Ochsentreiber in der Wüste. In jene, die gezwungen waren, alles zu schleppen und zu tragen, was die Weißen für ihre Expeditionen benötigten.
    Einmal, und das war eine seiner frühesten Erinnerungen, hatten Kiko und Be und die anderen eine Expedition mit weißen Männern entdeckt, die ihr Nachtlager am Rand der Zebra-Berge aufgeschlagen hatten. Er war so klein gewesen, daß Be ihn noch auf dem Rücken trug, wenn er nicht mehr laufen konnte. Aber er erinnerte sich noch genau daran, wie die weißen Männer ihre Zelte in der Wüste aufgebaut hatten. Zwischen den Zelten standen Tische mit weißen Tüchern. Kiko, der damals der Anführer der Gruppe war, entschied, daß sie sich vorsichtig zurückziehen sollten, da es vorkam, daß die weißen Männer, die durch die Wüste zogen, plötzlich zu schießen anfingen, als hätten sie eine Tierherde entdeckt und nicht eine Gruppe von Menschen.

    Die Träger saßen an ihren eigenen Feuern. Wenn die Weißen sie riefen, kamen sie sofort gelaufen. Ihre Eile hatte etwas Unterwürfiges, jede Bewegung war ein Ausdruck der Furcht. Das hatte Daniel mitbekommen, so klein er war. Als er die Matrosen beobachtete, während Vater sie herumkommandierte, kam ihm ihr Verhalten bekannt vor. Er war sehr überrascht. Auch in diesem Land gab es also Menschen, denen die Furcht in Armen und Beinen steckte.
    Der Kapitän trug keine Uniform. Er hatte einen Schal um den Kopf gewickelt, da er Zahnschmerzen hatte. Ständig hielt er eine Flasche in der Hand oder trug sie an einem Strick um den Hals. Daniel hatte gemerkt, daß er zunächst überhaupt nicht willens war, ihn mit auf die Reise zu nehmen. Vater hatte den doppelten Preis für ihn zahlen müssen

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