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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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und hinterher wütend erklärt, der Kapitän sei abergläubisch, fürchte das übernatürliche Böse und glaubte, sie würden untergehen, wenn sie einen Menschen an Bord nähmen, der einer schwarzen Katze glich. Schließlich hatte er jedoch nachgegeben, und sie hatten achteraus eine kleine Kabine bekommen, die nach faulem Fisch stank. Vater hatte alle Matratzen und Decken aus dem Bett geworfen, da sie völlig verlaust waren.
    - Besser, wir schlafen in den Kleidern, hatte er gesagt. Sonst werden wir noch aufgefressen und sind ganz blutleer, wenn wir ankommen.

    Am späten Nachmittag, als eine leichte Brise von Süden blies, wurden die Leinen losgemacht, die Segel gesetzt, und sie liefen aus. Sie segelten durch eine Rinne, neben der sich weiter östlich eine Insel erstreckte. Daniel stand an Deck und sah zu, wie die Matrosen an den Tauen zerrten und rissen. Sie redeten in einem ihm unverständlichen Dialekt, aber Daniel begriff, daß sie von ihm sprachen, und daß die Worte nicht freundlich waren. Auf dem Vorschiff fand er eine ausgemusterte Leine. Sogleich verwandelte er sie in ein Springseil und fing an zu hüpfen. Die Matrosen und der Kapitän betrachteten ihn mit großem Argwohn, aber keiner sagte etwas.

    In der Morgendämmerung des folgenden Tages, als Daniel hinauf an Deck ging, war die Insel verschwunden. Aber das Land im Westen war noch da. Es blies ein kalter Wind. Daniel zitterte, als er über das nasse Deck ging. Das Boot schaukelte langsam, als würde es wie ein neugeborenes Kind am Rücken des Meeres hängen.
    Er hing wieder an ihrem Rücken. Wenn er jetzt die Augen geschlossen ließ, würde er sie das nächste Mal in der Wüste öffnen. In einer Zeit, ehe Be und Kiko mit blutigen Gesichtern im Sand lagen und ihn allein gelassen hatten.
    Er zuckte zusammen und riß die Augen auf. Ein muffiger Geruch schlug ihm entgegen und vertrieb die Erinnerung. Es war der Kapitän, der vor ihm stand. Er hatte rote Augen, und seine Backe unter dem Schal war stark geschwollen.

    - Hast du schon mal so was Scheußliches gesehen, sagte er und riß den Mund auf.
    Daniel begriff, daß er ihm in den Mund schauen sollte. Er
    stellte sich auf die Zehenspitzen. Die wenigen Zähne, die er noch im Mund hatte, waren teils schwarz und teils verfaulte Stümpfe.

    - Es ist, als hätte ich eine Schlange im Maul, sagte der Kapitän. Glaubst du, der Mann, mit dem du reist, kann ihn mir ziehen? Er ist doch ein Wissenschaftler, wenn ich es recht verstanden habe?
    Daniel ging zurück in die Kabine. Vater lag in einer der beiden matratzenlosen Kojen und gähnte.
    - Der Kapitän will wissen, ob Vater einen Zahn ziehen kann, sagte Daniel.
    - Nur wenn er dich im Gegenzug gratis mitfahren läßt.
    Vater stand auf, kramte in der Tasche, in der er seine Instrumente verwahrte, und fand schließlich eine Zange, die er benutzt hatte, um die Nägel zu stauchen, mit denen er die Rückwand der Insektenkästen befestigt hatte. Der Kapitän saß auf einer Ladeluke und schaukelte vor und zurück. Er hatte starke Schmerzen.

    - Ich kann den Zahn ziehen, sagte Vater. Ich könnte Ihnen auch die Zunge herausreißen, wenn Sie es wünschen.

    - Mir reicht der Zahn.
    - Der Preis dafür ist, daß Daniel gratis mitfahren darf.
    - In Ordnung.

    Der Kapitän sperrte den Mund auf. Vater spähte hinein.
    - Ein Backenzahn, sagte er. Jemand muß Sie festhalten, während ich ihn ziehe.
    Der Kapitän rief einen Matrosen, der nahezu zwei Meter lang war und kräftige Oberarme besaß.

    - Jetzt mußt du mich festhalten, sagte der Kapitän. Und du läßt mich nicht los, wie sehr ich auch schreie.

    Der Mann murmelte etwas zur Antwort und nahm dann den
    Kapitän von hinten in einen kräftigen Griff. Vater schob ihm die Zange in den Mund, suchte nach einem Halt und zog. Der Kapitän knurrte, aber schließlich war der Zahn draußen. Der Matrose ließ ihn los, der Kapitän spuckte Blut, und Vater bat Daniel, die Zange abzuspülen.

    - Der hat vielleicht Zähne, sagte der Kapitän. Noch nie habe ich ein so weißes Gebiß gesehen. Und so stark, wie die Reißzähne eines Raubtiers.

    - Das bilden Sie sich nur ein, antwortete Vater. Entscheidend ist das Fehlen des Zuckers in der Nahrung.

    - Ich dachte, die Schwarzen sind wie Kinder und lieben Süßigkeiten?
    - Da haben Sie sich getäuscht.

    Der Kapitän spuckte noch immer Blut. Der Seemann, der für das Essen zuständig war, verkündete, das Frühstück sei fertig, und Daniel brachte die gesäuberte Zange zurück.

    Am Abend

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