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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schneidergesellen mußten draußen im Regen stehen und frieren. Aber Freiherr Hake hatte einen der radikalen Reichstagsmänner hingelockt, der anschließend nach Hause ging und einen Antrag verfaßte, ein Gesetz gegen unverantwortliche Angriffe auf die Besitzer der schwedischen Eisenhüttenwerke zu erlassen.

    Wickberg verstummte, nach seiner langen Rede mußte er sich verschnaufen. Er holte einen Flachmann hervor, nahm einen Schluck und streckte ihn dann Vater hin.
    - Echter französischer Kognak.
    Vater trank und schnalzte zufrieden mit der Zunge.

    - Das tut gut am Morgen. Besonders wenn der Abend davor im Chaos geendet hat, sagte Wickberg.

    - Sie haben einen Vorschlag zu machen?
    - Richtig.
    Wieder legte Wickberg los. Er sprach lange. Daniel versuchte seinen Worten zu folgen. Aber sie ratterten aus seinem Mund hervor und waren schließlich nur noch ein einziges Dröhnen in seinen Ohren. Daniel war an Vater herangerückt. Am Morgen mußte er seine Körperwärme spüren, um ruhig zu werden. Vater legte den Arm um ihn, während er zuhörte. Als Wickberg geendet hatte, stellte Vater ein paar Fragen und bekam Antworten. Danach reichte ihm Wickberg einige Papiere, die er sorgfältig durchlas. Unterdessen zog Wickberg ein Bündel Scheine hervor, das er in einem seiner Strümpfe stecken hatte, und legte es auf den Tisch. Aus einer der geräumigen Manteltaschen holte er dann einen kleinen Holzkasten, in dem er Tintenfaß und Feder verwahrte. Vater unterschrieb die Papiere. Danach tranken sie wieder aus dem Flachmann, bevor Wickberg aufstand, sich verbeugte und verschwand. Vater nahm Daniel in den Arm.
    - So hat der Abend gestern doch etwas Gutes gebracht. Ich wußte es. Als ich in der Wüste war, habe ich gelernt, den Glauben nicht zu verlieren. Jetzt können wir dieses Satanszimmer verlassen und eine ordentliche Wohnung beziehen. Aber erst werden wir auf Reisen gehen.
    Daniel wußte, was auf Reisen gehen bedeutete. Es beunruhigte ihn. Vielleicht würden sie wieder in die Wälder ziehen, wo es kein Wasser gab?

    Ein paar Stunden später räumten sie die Dachkammer, nachdem Vater sich mit dem Hauswirt über die Rechnung gestritten hatte. Wieder wurden ihre Koffer und Kisten auf einem Karren durch die schmalen Gassen gezogen. Daniel hatte sich allmählich daran gewöhnt, daß die Leute ihn angafften. Er schlug die Augen nicht mehr nieder, und er merkte, daß sie, wenn er den Blick erwiderte, ihre Gesichter abwandten.
    Sie gingen nicht weit. Die Gasse öffnete sich an einem Wasser, und Daniel spürte, wie die Unruhe schwand. Sie überquerten eine Brücke und blieben dann an einem Schiff stehen, das Rauch aus dem schwarzen Schornstein steigen ließ. Das Gepäck wurde an Bord verstaut, und Daniel stand an Vaters Seite, als die Leinen losgemacht wurden.
    - Wir werden nicht weit fahren, sagte Vater. Schon heute abend sind wir am Ziel. Das hier ist kein Meer, sondern ein See.
    Rasch versuchte Daniel herauszufinden, was der Unterschied zwischen dem Meer und einem See sein könnte. Das Wasser sah genauso aus. Aber Vater hatte sich hinter den Koffern hingelegt, den Mantel über den Kopf gezogen und war eingeschlafen. Daniel stand an der Reling und blickte auf die Stadt, die langsam verschwand. Er war ständig von neugierigen Menschen umringt, die glotzten und mit den Fingern auf ihn zeigten, aber er kümmerte sich nicht mehr darum. Vater schien zufrieden zu sein, und er befand sich nahe am Wasser. Das war das einzige, was zählte.
    Als Vater aufwachte, gingen sie hinein und setzten sich an einen Tisch mit einem weißen Tuch und aßen zu Mittag. Daniel stellte fest, daß Vater immer anfing, sich anders zu benehmen, wenn er Geld hatte. Er zögerte nicht mehr, seine Bewegungen wirkten entschlossen.
    - Wir werden die Insekten zeigen, sagte er, als sie mit dem Essen fertig waren. Wickberg ist in Ordnung. Er stellt für uns eine Reise zusammen, ich werde anständig bezahlt, und wenn es gutgeht, können wir so weitermachen. Aber du mußt mir versprechen, daß du nicht wieder anfängst, auf den Köpfen der Menschen herumzuklettern, wenn ich das Tuch wegziehe. Sonst holt sich Wickberg das Geld zurück, und wir müssen wieder in das Zimmer auf dem Dachboden ziehen. Verstehst du, was ich meine?

    - Ja, Vater.
    - Du versprichst, daß es nicht wieder vorkommt?
    - Ja, Vater.

    Vater streckte eine Hand aus und legte sie auf Daniels Hand.
    - Was ist eigentlich passiert? Ich habe etwas in deinen Augen gesehen. Als hättest du etwas entdeckt?
    - Es

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