Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
schnell und stolperte über die Worte. Es war schwer, alles zu verstehen, was er sagte.

    Dann wurde es still. Jemand schlug direkt neben ihm mit einem Hammer auf den Tisch. Der Mann, der dann redete, räusperte sich unentwegt. Wovon er sprach, begriff Daniel nicht. Ein paar Worte, deren Inhalt er nicht verstand, wurden fortwährend wiederholt, Arbeiter, Bildung, das Wort hat nun, und dann ein anderer Name. Es wurde allmählich warm unter dem Tuch. Daniel beschloß, sich das zu merken. Wenn die Kälte einmal zu groß wurde, konnte er sich in einem Zimmer mit vielen Menschen unter ein Leintuch setzen. Dann würde es so sein, wie wenn die Sonne in der Wüste über den Horizont stieg.

    Plötzlich hörte er Vaters Namen. Jemand applaudierte, dann wurde es still, und dann war Vaters Stimme da. Er war nervös, die Worte kamen zuerst unsicher, vorsichtig tasteten sie sich aus seinem trockenen Mund. Daniel machte sich bereit. Aber es dauerte. Vater hatte viel von den Insekten zu erzählen. Schließlich hörte er doch seinen eigenen Namen, und Vater zog das Tuch weg.

    Daniel war nicht auf das gefaßt, was er da sah. Daß der Raum voll besetzt war, die Gesichter so nah. Vater nickte ihm zu, und er stand auf. Es war sehr still im Raum, und er sagte seine Worte.
    - Ich heiße Daniel. Ich glaube an Gott.

    Er sprach sie vollständig korrekt aus. Das konnte er an Vaters Gesicht sehen. Er war zufrieden. Das war das Wichtigste.
    Plötzlich meinte er, ganz hinten im Raum, wo das Licht am schwächsten war, Kikos Gesicht zu erkennen. Er wußte sofort, daß er sich zu ihm durchdrängen mußte. Kiko war da, um ihn zu holen. Er sprang vom Podium herunter und fing an, über die Menschen zu steigen, die auf ihren Stühlen saßen. Ein Tumult brach aus, die Leute versuchten, sich zur Seite zu werfen oder ihn zu packen. Aber Daniel wußte, daß er zu Kiko vordringen mußte, bevor er verschwand. Er schlug nach den Händen, die versuchten, ihn festzuhalten, und zerkratzte die Gesichter in seinem Weg.
    Als er das Ende des Raums erreichte, war Kiko fort.

    Jemand gab ihm einen Schlag in den Nacken, und alles wurde dunkel. Er wurde zu Boden geworfen, und das letzte, was er hörte, war Vater, der im Hintergrund schrie.

    16

    Als Daniel zu sich kam, lag er auf dem Tisch mit dem grünen Filztuch. Über seinem Kopf hing ein Kronleuchter, in dem viele von den Kerzen schon heruntergebrannt waren. Er drehte den Kopf und sah, daß Vater auf einem der Sprossenstühle saß und sich den Schweiß von der Stirn wischte. Die Erinnerung kehrte langsam zurück. Hinter all den Menschen, die ihn anstarrten, hatte er irgendwo im Dunkeln Kiko gesehen, und er hatte versucht, zu ihm zu gelangen. Es war gewesen, als hätte er sich in einem Fluß mitten in eine Stromschnelle geworfen. Aber Kiko war nicht dagewesen, er war im Dunkel verschwunden, auf dieselbe Weise, wie er selbst in die Strudel hinabgesogen wurde, und jetzt war er an einen Strand gespült worden, der aus einem Tisch mit grünem Filzbelag bestand.

    - Er ist aufgewacht, sagte eine Stimme nah an seinem Ohr.
    Daniel fuhr zusammen und setzte sich auf. Der Mann, der sprach, war derselbe, der sie auf der Straße empfangen und sich verbeugt und gebuckelt hatte, als wäre Vater ein Mann mit großer Macht.

    Vater stand auf und kam zu ihm hin. Daniel erkannte sofort, daß er enttäuscht war. Seine Augen waren müde, und an den Aufschlägen seiner Jacke waren weiße Flecken von der Haut, die sich von seiner Kopfhaut löste, wenn er aufgeregt war und sich an der Stirn kratzte.

    - Ich verstehe dich nicht, sagte er. Wir haben geübt. Sie hörten zu, als ich von den Insekten sprach. Dann zog ich das Tuch weg, und du warst wie von Sinnen. Sie dachten, ich würde einen wilden Affen auf den Saal loslassen. Du hast einen Kavallerieleutnant in die Stirn getreten und einen Oberlandesgerichtsrat gebissen. Chaos brach aus, und Geld habe ich auch keins bekommen.
    - Was für ein Unglück, murmelte der Mann, der jetzt den Hut abgenommen hatte und ihn an den Brustkorb preßte, als sei er ein Kind.
    - Trotzdem meine ich, daß mir das Geld zusteht. Es war so vereinbart.
    Der Mann mit dem Hut wand sich vor Verlegenheit.
    - Der Sekretär ist mit der Kasse verschwunden. Ich konnte nichts machen. Der Oberforstmeister schrie, es sei ein Skandal, und verlangte den Saal zu räumen. Bei der nächsten Versammlung in einem Monat soll es um die kostenlose Verteilung von Gesangbüchern an die Unglücklichen im Armenhaus gehen. Da wird es

Weitere Kostenlose Bücher