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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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der Flasche. Daniel sah, daß seine Hand zitterte.
    - Wir werden ein neues Leben beginnen, sagte Vater. Dieses Leben fängt heute nacht an.
    - Wohin sind wir unterwegs?
    - Darauf werde ich dir antworten, wenn ich es weiß.
    Der Wagen begann wieder zu rollen.

    - Versuch zu schlafen, sagte Vater. Ich muß nachdenken.
    Daniel wickelte sich wieder in die Decke. Er sog seine eigene Wärme ein, strich sich übers Gesicht und stellte sich vor, es wäre die Frau mit den schmalen Händen, die ihn berührte.

    Daniel wachte davon auf, daß der Wagen stehengeblieben war. Er war allein. Vater stand draußen und sprach mit dem Jungen. Es wurde allmählich hell. Sie befanden sich noch immer in einem Wald, aber er war jetzt lichter. Er konnte Felder und Äcker erkennen. Ein See glitzerte zwischen den Bäumen. Es war neblig. Daniel merkte, daß er fror. Er zog die Decke dichter um sich. Er hatte geträumt. Die Antilope war in ihm gewesen. Aber Kiko war nicht gekommen. Es war, als hätte die Antilope nach ihm gesucht, nach jemandem gesucht, der die Arbeit zu Ende bringen könnte, der imstande wäre, die Augen zu bemalen und die letzten Linien des Sprungs einzukerben.
    Vater öffnete den Wagenschlag.

    - Wir steigen hier aus, sagte er. Das Gepäck fährt weiter zum Hafen. Aber wir steigen hier aus.
    Daniel kletterte heraus. Sein ganzer Körper war steif. Vater wirkte noch genauso ängstlich wie in der Nacht. Aber seine Augen waren nicht mehr glasig, und Daniel wurde klar, daß er einen Entschluß gefaßt hatte. Der Junge holte die Koffer herunter, die auf dem Wagendach festgezurrt waren.
    - Ich werde dich bis in die Hölle verfolgen, wenn du nicht tust, was ich dir gesagt habe, sagte er zu dem Jungen.
    - Für so viel Geld tut man, was einem aufgetragen wird.

    - Los jetzt.
    Der Junge trieb die Pferde an und verschwand die gewundene
    Straße hinunter.
    Sie waren allein. Daniel zitterte. Vater hatte es eilig. Er durchwühlte den Koffer, warf Kleider und Kämme und Bürsten auf die Erde. Schließlich fand er, was er suchte. Ein weißes Hemd, das er zu Daniels Erstaunen zu zerreißen begann. Er hörte nicht auf, bis er das ganze Hemd in Streifen gerissen hatte. Der Kragen lag wie ein toter Vogel am Boden. Vater setzte sich auf den Koffer und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

    - Wenn alles vorbei ist, werde ich es dir erklären, sagte er. Aber jetzt haben wir ein neues Leben angefange n. Wir müssen so schnell wie möglich Abstand zwischen uns und allem bisher Geschehenen schaffen. Wir reisen wieder durch eine Wüste. Damit wir ankommen, mußt du meine Anweisungen befolgen.

    Daniel wartete auf die Fortsetzung. Was passiert war, konnte er immer noch nicht verstehen.

    - Gewisse Leute werden versuchen, mich aufzuspüren, sagte Vater. Sie wissen, daß ich in deiner Gesellschaft reise. Und du bist schwarz. Deshalb mußt du mir erlauben, das Notwendige zu tun. Ich werde diese Lappen um dein Gesicht wickeln und nur für den Mund, die Nase und die Augen Löcher lassen. Du bist bei einem Brand schwer verletzt worden. Die Hände mußt du immer unter den Mantel stecken. Auf den Kopf setzen wir dir eine Mütze. Dann kann niemand mehr sehen, daß du schwarz bist. Und keiner kann mich finden.
    Vater wartete keine Antwort ab, sondern fing an, Daniels Gesicht mit den Lappen zu umwickeln. Daniel bekam sofort das Gefühl, Vater wolle ihn ersticken, und zerrte an den Stoffetzen, um sie loszuwerden.

    - Ich tue nur, was ich tun muß, schrie Vater. Nur für ein paar Tage. Bis wir entkommen sind. Ich habe dir einmal das Leben gerettet. Jetzt kannst du dich revanchieren.
    Plötzlich entdeckte Daniel, daß Vater nicht nur Angst hatte und daß sein Gesicht ganz verschwitzt war. Er hatte außerdem Tränen in den Augen. Daniel hörte auf, an den Fetzen zu zerren. Was auch immer geschehen war, jetzt mußte er Vater helfen. Es gab keinen anderen Ausweg.

    Mit einem kleinen Messer, das Vater zwischen seinen Bürsten und Kämmen verwahrte, schnitt er Löcher für Augen, Nase und Mund.
    - Steck die Hände weg, sagte er. Daniel tat, wie ihm geheißen.
    - Keiner wird vermuten, daß du unter alledem eine schwarze Haut hast. Jetzt müssen wir los.
    Sie machten sich auf den Weg. Daniel merkte, daß es bereits unter den Stofflagen zu kratzen anfing. Vater ging schnell, den Koffer in der Hand. Er atmete keuchend und mußte mitunter stehenbleiben, um Luft zu holen. Es war jetzt Morgen, die Wolken hingen tief am Himmel.
    - Wenn es nur nicht anfängt zu regnen, sagte

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