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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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vorbei, sagte Vater. Hauptsache, wir kommen hier weg.

    - Es kratzt, sagte Daniel.
    - Ich verstehe. Aber bald. Wenn wir erst an Bord sind und die Tür unserer Kabine geschlossen haben. Dann werde ich dir die Binden abnehmen und erklären, was geschehen ist. Alles wird gut. Wir haben ein neues Leben angefangen.

    Als Eriksson wiederkam, hielt er die Fahrkarten in der Hand. Vater gab ihm einen weiteren Schein und bat ihn, bis an den Landungssteg vorzufahren. Das Schiff lag von Gaslampen erleuchtet da.

    - Ich habe gesagt, es wäre für Herrn Hult und seinen Sohn, sagte Eriksson.

    - Stimmt genau, erwiderte Vater. Sie sind ein kluger Mann. Und Ihre Pferde haben schöne Namen. Ungewöhnliche. Aber schöne.

    Als sie bei dem Schiff ankamen, gebot Vater Daniel, im Wagen zu warten. Am Landungssteg stand ein Mann in Uniform und kontrollierte die Fahrkarten der Passagiere. Auf dem Vordeck war man dabei, Gepäck einzuladen. Vater ging zu dem Uniformierten hin und redete mit ihm. Eriksson stand da und strich einem der Pferde über den Rücken, während er Daniel ansah.
    - Es ist bestimmt nicht leicht, sagte er. Es muß sehr weh tun. Aber du bist geduldig.
    - Ich heiße Olle, sagte Daniel. Ich glaube an Gott. Eriksson nickte bedächtig.

    - Das ist sicher das Beste. Auch wenn es nicht hilft, so ist es schließlich das einzige, was einem bleibt. Die Hoffnung. Und jemand, der Gott genannt wird.
    Vater kam zurück.
    - Steck die Hände weg, flüsterte er. Eriksson hob Daniel herunter.
    - Ich hoffe, es wird gutgehen, sagte Eriksson.

    Vater nickte und reichte ihm einen seiner letzten Scheine. Der Mann am Landungssteg wiegte besorgt den Kopf, als er Daniels verbundenes Gesicht sah.

    - Südlich von Landsort kann es schwere See geben, sagte er. Verträgt der Junge den Seegang?

    - Ich habe ihm Medizin gegeben, sagte Vater. Er wird schlafen.

    Sie kamen in die Kajüte hinunter, und Vater schloß die Tür und ließ sich ermattet auf die Koje sinken. Die Kabine war eng. Daniel erinnerte sich daran, wie sie während der langen Reise aus der Wüste auf dem Schiff gewohnt hatten.
    Plötzlich begann sein Herz wie rasend zu schlagen. Sollte es möglich sein, daß sie auf dem Weg zurück in die Wüste waren? Daß er gar nicht lernen müßte, wie man auf dem Wasser geht?
    - Du bist tüchtig gewesen, sagte Vater und begann, den Stoff abzulösen, der an Daniels verschwitztem Gesicht klebte. Du bist sehr tüchtig gewesen, und das werde ich dir nie vergessen. Daniel wartete. Aber Vater verlor immer noch kein Wort darüber, wohin sie unterwegs waren.

    Ein Ruck ging durch den Schiffskörper. Die losgemachten Leinen knallten, und Kommandos flogen durch die Luft. Dann fing das Schiff an zu vibrieren.
    Daniel hatte sich neben Vater gesetzt. Jetzt wird er erzählen, dachte Daniel. Aber Vater schlug nur die Hände vors Gesicht und begann lautlos zu weinen.

    20

    Sie hatten Fahrkarten bis Kalmar. Aber sie stiegen schon am Abend vor der Ankunft aus, als das Schiff am Slottsholmen in Västervik angelegt hatte. Da es dunkel war, blieb Daniel der Verband im Gesicht erspart. Während Vater in der Dunkelheit losging, um jemanden zu finden, der Pferd und Wagen hatte, saß er da und bewachte das Gepäck. Ein einsamer Hund strich um seine Beine, verschwand aber bald in der Finsternis. Ein leichter Nieselregen fiel. Es war vollkommen windstill. Nur wenige Menschen stiegen aus und ein. Am Landungssteg gab es Streit, als einem Betrunkenen der Zutritt verweigert wurde, obwohl er eine Fahrkarte besaß. Schließlich trollte er sich fluchend und verschwand wie die anderen in der Dunkelheit, die alle zu verschlingen schien.

    Daniel spürte den kalten Wind vom Meer. Er brachte denselben Geruch mit, den er an jenem Abend wahrgenommen hatte, an dem er schnurstracks ins Wasser hinausgegangen war und gehofft hatte zu sterben. Auch wenn es erst ein paar Tage her war, kam es ihm vor, als hätte er es geträumt. Während der Schiffsreise hatte Vater kein einziges Wort gesagt. Er hatte ein Schweigen mit sich herumgeschleppt, das schließlich zu einer Maske auf seinem Gesicht erstarrt war. Es war ein Schweigen, das Daniel nicht zu durchdringen vermochte. Was Vater dachte, konnte er nicht einmal ahnen. Hin und wieder war er in Tränen ausgebrochen. Aber es waren nur kurze Anfälle gewesen. Daniel hatte gewartet. Er wußte immer noch nicht, wo sie sich befanden oder wohin sie unterwegs waren.

    Während der Reise war es ihm nicht gestattet, die Kabine zu verlassen. Es hatte sie auch

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