Die rote Antilope
erwiderte der Junge.
- Du wirst es bekommen, rief Vater rasend. Mehr Geld, als du in deine m ganzen Leben gesehen hast.
Der Junge zog an den Zügeln und ließ den Wagen wenden. Eins der Pferde wieherte. Daniel schauderte. Er war noch ganz durchgefroren. Vater holte eine der Flaschen hervor, die er immer im Gepäck hatte.
- Trink das, sagte er.
Daniel probierte. Es war stark und brannte im Hals. Aber er schluckte und spürte, wie die Wärme rasch in den Körper zurückströmte. Vater wickelte ihn in eine Decke. Seine Hände waren ungeschickt und ängstlich. Der Wagen steigerte jetzt seine Geschwindigkeit. Hin und wieder knallte ein Peitschenhieb. Vater zischte und murmelte fortwährend zwischen zusammengepreßten Lippen. Daniel wartete. Was war geschehen? Warum mußten sie mitten in der Nacht auf und davon? Er verstand, daß es mit der Frau zu tun hatte, mit den Knöpfen, die Vater aufgerissen hatte.
- Wohin sind wir unterwegs? fragte er.
Vater antwortete nicht. Daniel zog sich die Decke über den Kopf, so daß er gänzlich in seine eigene Körperwärme eingehüllt war. Drinnen in dem warmen Dunkel dachte er, daß Vater weit weg war. Er befand sich an seiner Seite, lebte aber trotzdem in einer anderen Welt. Der Wagen, der schaukelte und ruckelte, weckte in ihm dasselbe Gefühl wie während der langen Reise übers Meer. Die Pferde verwandelten sich in Segel, die straff gespannt waren, der Junge auf dem Kutschbock hielt keine Zügel zwischen den Händen, sondern ein Steuer. Er hörte, wie eine Flasche klirrte. Vater trank. Die Peitsche knallte. Der Wagen rumpelte.
Daniel wußte nicht, was Zeit war. Aber das, was Vater gewöhnlich lange nannte, mußte vergangen sein, als der Wagen zum Halten kam. Daniel schälte sich aus der Decke. Es war noch dunkle Nacht. Vater hatte den Wagenschlag geöffnet.
- Wieso bleiben wir stehen? rief er.
- Die Pferde müssen sich ausruhen, gab der Junge zurück. Etwas zu fressen bekommen und getränkt werden.
- Dazu haben wir keine Zeit.
- Ich kann sie nicht zu Tode hetzen.
- Ich kenne mich mit Ochsen aus. Sie halten das schon aus.
Der Junge gab nicht nach.
- Ochsen und Pferde sind nicht dasselbe. In einer halben Stunde geht es weiter.
Wütend schlug Vater die Wagentür zu. Aber er sagte nichts. Er sah Daniel an. Seine Augen waren glasig. Aber es war auch etwas anderes darin, eine Angst, die Daniel dort noch nie gesehen hatte.
- Ich habe etwas getan, was ich nicht hätte tun dürfen. Ich habe versucht, sie anzufassen. Sie hat mich gekratzt und sich losgerissen. Wir müssen verschwinden.
Daniel wartete auf eine Fortsetzung, die aber nicht kam. Da er pinkeln mußte, stieg er aus dem Wagen. Der Boden unter seinen Füßen war kalt. Sie befanden sich tief in einem dichten Wald. Die Bäume standen schwarz und beobachteten ihn. Er pinkelte. Der Junge war dabei, die Pferde zu tränken.
- Warum bist du schwarz? fragte der Junge. Hast du dich verbrannt? Oder bist du aus Kohle?
Vater riß den Schlag auf.
- Schwatz nicht. Gib den Pferden, was sie brauchen, damit wir weiterfahren können.
Der Junge trat an den Wagenschlag. Er war kleingewachsen,
aber breitschultrig. Die Pelzmütze hatte er abgenommen. Daniel sah, daß seine Haare kurz geschnitten und sehr blond waren.
- Ich will das Geld sehen, sagte er. Sonst fahre ich nicht weiter.
Vater hielt mit der Hand ein Bündel Geldscheine hoch. Der Junge versuchte, es sich zu schnappen, aber Vater war darauf gefaßt und wehrte ihn ab.
- Wenn wir in Stockholm sind, sagte er. Erst dann.
Der Junge starrte weiter auf die Scheine.
- So viel Geld habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. So viel Geld und so viel Eile. Kann das mit rechten Dingen zugehen?
Er kehrte zu den Pferden zurück. Daniel stieg wieder in den Wagen ein. Vater beugte sich zu ihm herüber und flüsterte:
- Alles wird gut. Aber ich habe einen Fehler gemacht. Und dann muß man seine Pläne ändern. Man kann nicht immer einem festgelegten Reiseweg folgen.
- Ist sie gestorben? fragte Daniel. Vater starrte ihn an.
- Sie ist weggerannt, sagte er. Und sie wird mich womöglich anzeigen. Es gibt einen Skandal. Man wird mich jagen. Also muß der Plan geändert werden.
Daniel versuchte den Namen des Mannes in dem roten Mantel auszusprechen. Es gelang ihm nicht. Es waren zu viele Buchstaben. Aber Vater verstand.
- Auch Wickberg wird mich jagen. Was schlimmer ist, weiß ich nicht. An den Kleidern einer Frau zu zerren oder einen Vertrag zu brechen.
Wieder trank er aus
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