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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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„Wenn ich dich nicht in Sicherheit weiß, bekomme
ich den Kopf nicht frei“, äußert er ungehalten, während er den Felsen mühsam
umrundet. Er erreicht seichteren Schnee, der ihn nur noch kniehoch verschlingt.
    „Malcom!“
    Ungeduldig wendet er sich ihr
noch einmal zu. Sie lugt ihn um den Felsen herum an. „Ich verharre hier
getreulich bis zum Mittag. ... Was auch geschieht, ich hoffe du weißt, dass ich
dich liebe.“
    Er betrachtet sie forschend.
Seiner Miene ist keine Gefühlsregung zu entnehmen. Bestürzt fragt sie sich,
wodurch sie sein Vertrauen derart verspielt hat.

Der Überfall -
und Amál
    Die Sonne
steht gerade im Zenit, als Joan vor Kälte schlotternd angespannt hinter ihrem
Stein hervorkriecht. Wie noch nie bereut sie, nicht in Männerkleideung
hergekommen zu sein. Es fühlt sich so an, als hätte der eisige Schnee ihre
nahezu nackten Beine durchfrieren lassen. Mit ihrem schlafenden Hund auf den
Armen kämpft sie sich durch den hohen Schnee Richtung Kamm empor, macht einmal
kurz Halt, um zu verschnaufen und einem kleinen Vogelnest in einem kahlen
Schlehendorngestrüpp die handvoll gehorteter Hagebutten zu entwenden. Hungrig
puhlt sie die roten Schalen auf, um die garstig behaarten Kerne zu entfernen
und stopft sich eilig den Mund mit den säuerlichen, von der Sonne mehlig
aufgetauten Früchten. Sie vermögen ihren knurrenden Magen nur halbwegs zu
besänftigen. Kauend bahnt sie sich in Malcoms Tritten ihren Weg zum Kamm
hinauf. Deutlich sind dort die Spuren von Percys Späher zu erkennen, welche auf
der Gegenseite wieder den Hang hinab und zu einer durch Pferdehufe aufgewühlten
Schneedecke führen. Als sie den Blick nach vorn zur Burg richtet, bleibt ihr
das Herz stehen. Auf dem Burghof herrscht ein undurchschaubares Durcheinander,
ein Gewimmel unzähliger Menschen, die miteinander in einem wilden Gefecht
begriffen sind. So hatte Malcom vergeblich versucht, seine Leute noch zu
warnen. Joan stürzt eilig los, so dass Heda in ihren Armen erwacht. In ihrer
alten Spur läuft sie auf die Burg zu. Die Anstrengung lässt sie allmählich
wieder warm werden. Ihre ziehenden Seitenstechen nimmt sie kaum wahr, denkt
stattdessen besorgt an Malcom und ihren Vater sowie an all jene, die ihr in der
Zwischenzeit ans Herz gewachsen sind. Sie schickt nicht nur ein Stoßgebet gen
Himmel, dass sie unversehrt sein mögen. „Nimm mich an ihrer statt“, bittet sie
verzweifelt. Ihr Fuß bleibt plötzlich in der tiefen Spur stecken, so dass sie
fluchend der Länge nach hinschlägt. Atemlos verharrt sie einen Augenblick, um
Luft zu schöpfen, als sie hinter sich das dumpfe Schlagen von Pferdehufen
vernimmt. Hastig wälzt sie sich auf den Rücken herum und setzt sich hoch. Zu
ihrem Entsetzen gewahrt sie die Reiter schon ganz nahe vor sich. Auch sie sind
gerüstet, haben sie bereits ins Visier genommen. Angstvoll erhebt sie sich
strauchelnd, drückt Heda wie zum Schutz fest an sich und sieht sich wenige
Momente später von ihnen umringt. „Oh Herr, du hättest mich wirklich nicht
gleich beim Wort nehmen müssen“, murmelt sie verdrießlich.
    Ein schwer gerüsteter Ritter
direkt vor ihr klappt plötzlich das Visier seines Helmes nach oben, um sie aus
stechend blauen Augen erstaunt anzublicken. Seine Haut ist dunkler, als sie es
je zuvor bei einem Menschen sah.
    „Welch herrliche Lichtgestalt
erblicken meine unwürdigen Augen“, ruft er euphorisch aus.
    Stutzig bemerkt sie an den
Fältchen in seinen Augenwinkeln, dass er zu lächeln scheint. Ob seiner
fehlenden Feindseligkeit fasst sie neuen Mut.
    „Joan! Was zum Henker hast du
hier mutterseelenallein verloren?“ Johns Stimme klingt alarmiert. Als der
hochgewachsene Ritter, von dem diese kam, die Kapuze zurückschiebt, blickt sie
ihm direkt in die eisblauen Augen. Noch nie zuvor war sie freudiger von Johns
Erscheinen überrascht.
    „John! Du kommst wie gerufen“,
erwidert sie erleichtert. „Percys Leute sind in die Burg eingedrungen“, erklärt
sie eilig, wobei sie mit dem Finger ihres ausgestreckten Armes nach vorn zur
Festung zeigt.
    Bestürzt blickt er in die
gewiesene Richtung und gibt ohne zu zögern seinem Pferd die Sporen. Seine
handvoll Männer setzen ihm nach.
    „Wartet! Nehmt mich mit,
verflucht“, schreit sie ihnen empört hinterher. John hebt gebietend die Hand.
„Amál“, hört sie ihn anweisend rufen, ohne dass er sich noch einmal umblickt.
Schneestiebend prescht er weiter. Er hinterlässt ihr den dunkelhäutigen Ritter,
der sein Pferd gehorsam

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