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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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einfach zu verletzend.“
    Blanche
schüttelt den Kopf. „Was immer es war, das ihn zu solchen Worten veranlasste,
er wartet darauf, dass du ihm entgegenkommst. Offenbar ist er wenigstens
genauso verletzt, wie du. Und wenn du der Sache nicht auf den Grund gehst, könntest
du ihn verlieren, noch ehe alles richtig begann.“ Mit eindringlichem Blick legt
sie ihr eine Hand auf den Unterarm. „Sei klüger als er und überwinde dich,
Joan.“ Sie lächelt sanft. „Es ist eine Kunst, die Liebe am Leben zu halten.“
    „Na warte,
du kleine Kröte!“ Lachend spurtet Joan Isa im tiefen Schnee des Hofes
hinterher. Sie wirft ihr einen wohlgezielten Schneeball ins Genick. Isa zieht
mit vergnügtem Quietschen die Schultern hoch und wirft sich in den frischen
Schnee. Als Joan bei ihr ankommt, gerät ihr Heda tapsig zwischen die Beine,
woraufhin sie sich zur Seite fallen lässt, um den Welpen nicht zu treten. Das
Tier leckt ihr freudig schwanzwedelnd übers Gesicht.
    Isa nutzt die Gunst des
Augenblickes, um Joan unsanft eine volle Ladung Schnee ins Speichel triefende
Antlitz zu befördern. „Da hast du’s wieder“, ruft sie rachelüstern, während sie
sich unangenehm räkelt, da ihr der nasse Schnee im Rücken weiter unter die
Kleidung rutscht. Gabriel in der Nähe reißt sich von der Hand seiner Amme los,
um sich unter lautem Gebrüll auf Joan zu stürzen.
    „Ihr unbarmherzigen kleinen
Bestien“, ruft sie mit gespielter Boshaftigkeit, woraufhin die beiden
kreischend davonzustieben versuchen. Die Kinder des Gesindes stehen etwas
abseits und beobachteten sie bis eben noch zurückhaltend. Es geschieht nicht
alle Tage, dass sich die Erwachsenen auf die Spiele der Kinder einlassen. Doch
nun verlieren sie alle Scheu. Ungehemmt stürmen sie auf Isa los, um sie
erbarmungslos zu Fall zu bringen und sie mit Schnee einzuseifen. Das Mädchen
jammert plötzlich kläglich. Joan fühlt sich veranlasst, ihr nicht länger
nachzutragen, von ihr mit einem Hagel sorgfältig vorbereiteter Schneebälle auf
der Schwelle empfangen worden zu sein. Lautstark springt sie ihr zur Seite. Nun
kämpft jeder gegen jeden, wobei sie den älteren Kindern eine überraschende
Treffsicherheit zugestehen muss. Die ausgelassene Schneeballschlacht gipfelt
darin, dass sich gar Gabriels Amme ins Getümmel stürzt, um kräftig
mitzumischen. Die beiden Frauen halten sich vor Lachen die Bäuche.
    Joan taumelt erschöpft gegen
die Wehrmauer und jappst nach Luft. Ihre langen Kleider behindern sie in ihren
Bewegungen, machen jeden Schritt beschwerlich. Kürzlich erst ließ sie wohl oder
übel von ihren engen Kleidern ab, trägt nun stattdessen über einem grünblauen
Oberkleid mit schönem Faltenwurf und eng anliegenden Ärmeln mit Knopfleiste,
der Cotte, einen grünen ärmellosen Surkot. Beides Hemdgewänder zum Überziehen
über den Kopf und, wie bei Kleidern adliger Frauen üblich, in hinderlicher
Überlänge. Darüberhinaus macht ihr in letzter Zeit die kleinste Anstrengung zu
schaffen, was sonst ihr Ungemach erregt. Heute jedoch lenkt sie die lustige
Szene vor ihr davon ab. Erst jetzt gewahrt sie Malcom auf dem Felsen über dem
Tor. Er scheint an etwas zu schnitzen, wirft ab und zu einen Blick auf den
Tumult im Hof. Als sie bemerkt, dass er ihrem Blick ausweicht, schnürt sich ihr
schmerzhaft das Herz zusammen. Ein mittlerweile vertraut gewordenes Gefühl.
Doch fühlt sie sich heute mutig genug für eine Konfrontation. Nichts vermag
ihre gehobene Stimmung zu senken. Sie atmet durch und fasst sich ein Herz.
Langsamen Schrittes bahnt sie sich einen Weg zum Felsen hinüber, bis sie auf
Malcoms Fußstapfen stößt, in die sie hineintritt, um leichter voran zu kommen.
Malcom dreht sich plötzlich zur Mauer herum und schnitzt an diese gelehnt
weiter. Joan verhält ihre Schritte und stemmt aufgebracht die Hände in die
Seiten. Zweifelsohne hatte er sie kommen sehen! Unwirsch beugt sie sich hinab,
um einen Schneeball zu formen. Diesen schleudert sie ihm unversehens ins
Genick, aus eigener, leidlicher Erfahrung die geeignetste Stelle, um jemandem
das kalte Nass unter die Kleidung zu befördern. Als er erschrocken
zusammenfährt und sich im selben Atemzug forschend umblickt beschleicht sie das
ungute Gefühl, dass er sie vielleicht doch nicht kommen sah. Er betrachtet sie
mit unverhohlener Überraschung.
    Sie räuspert sich ein wenig
unbehaglich. „Malcom. Wir müssen reden“, hört sie sich sagen und ist darüber
unendlich erleichtert. Sie hatte dabei die Stimme gesenkt,

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